Streit-Kultur. Journal für Theologie

Streit-Raum

Streit-Kultur eröffnet neben dem jährlich erscheinenden Heft am 31. Oktober 2024 den Streit-Raum: Ein Forum, in dem frei zugänglich auf aktuelle theologische, kirchliche und gesellschaftliche Kontroversen reagiert werden kann. Es kommen gegensätzliche Positionen zu Wort, bewusst knapp und pointiert.

Auch Entgegnungen wird Raum gegeben. Es besteht die Möglichkeit, binnen eines Monats nach Freischaltung sachorientierte Repliken oder Forumsbeiträge (maximal 6.000 Zeichen inklusive Leerzeichen) zu den Themen- und Fragekreisen einzusenden. Sie werden vor einer möglichen Veröffentlichung von der Herausgeberin und den Herausgebern geprüft.

Streit-Raum 1: Zur Zukunft des Theologiestudiums

Johann Georg Puschner – „Der Fleissige Student“, Universität Altdorf um 1725 (Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8818133))
Johann Georg Puschner – „Der Fleissige Student“, Universität Altdorf um 1725 (Gemeinfrei)

Zunehmende Kirchenaustritte und schwindende Theologiestudierenden-zahlen alarmieren. Die Ursachen hierfür sind umstritten. Es gibt Stimmen, die dem Theologiestudium selbst Schuld daran geben, dass es nur mäßig nachgefragt wird. Aber auch für das gesellschaftliche Desinteresse an kirchlichem Handeln soll es verantwortlich sein. Vermutlich ist jedoch das Umgekehrte der Fall. Denn eine wenig attraktive Kirche zieht keinen Nachwuchs an.
Jedenfalls steht die Frage im Raum, was eigentlich der Kern des Theologiestudiums sei und wie dieser angemessen zur Geltung komme. Hierüber befinden sich die evangelisch-theologischen Fakultäten und Institute in Deutschland in kontroversem Austausch untereinander und mit den Landeskirchen. Es wird darüber gestritten, ob oder inwiefern das Theologiestudium einer Reform bedarf, die seiner Sache gerecht wird. Hierbei steht viel auf dem Spiel. Es ist unbedingt zu vermeiden, dass der Bedeutungsverlust der Kirche einen Niveauverlust der Theologie provoziert, der beiden schadete.

Im ersten Streit-Raum, den die Herausgeberin Anne Käfer und der Herausgeber André Munzinger verantworten, wird die Zukunft des Theologiestudiums diskutiert. Es positionieren sich zu den Fragekreisen 1. Was ist des Studiums Kern?, 2. Wie hältst Du’s mit den Sprachen? und 3. Wie hältst Du’s mit BA/MA?

Eve-Marie Becker (Professorin für Neues Testament | Universität Münster), Mehr Theologie wird gebraucht! Auf der Suche nach Gott und Freiheit im Umbau.

Thomas Kaufmann (Professor für Kirchengeschichte | Universität Göttingen), Widerstandspflicht

Joachim Kunstmann (Professor für Religionspädagogik | Pädagogische Hochschule Weingarten), Theologiestudium für heute

Jörg Lauster (Professor für Systematische Theologie | Universität München), Theologiestudium morgen

 

Einsendeschluss für Repliken – auf einen, mehrere oder alle Debattenbeiträge – ist der 30. November 2024. Später eingesendete Beiträge werden nicht berücksichtigt. Die Beiträge werden von der Herausgeberin und den Herausgebern der Streit-Kultur geprüft: Die Zeichenzahl von maximal 6.000 Zeichen inklusive Leerzeichen ist nicht zu überschreiten. Der Bezug zu den drei Fragen und den Themen muss erkennbar sein. Inhaltlich ist eine mit guten Gründen versehene Sachorientierung erbeten. Die Beiträge werden dann zum 15. Dezember 2024 veröffentlicht.

Einsendungen bitte per E-Mail an: philipp.david[at]evtheologie.uni-giessen.de

Mehr Theologie wird gebraucht! Auf der Suche nach Gott und Freiheit im Umbau. (Eve-Marie Becker, Münster)

  1. Was ist des Studiums Kern?

Ob ich heutzutage Evangelische Theologie studieren würde? Schwer zu sagen. Damals, nach meinem Abitur 1991 in Limburg an der Lahn, als der sog. Eiserne Vorhang gerade gefallen war und die lastenden Bedrohungen in Europa und der Welt mitsamt ihren Folgeerscheinungen wie Tschernobyl 1986, die meine Kindheit und Schulzeit mitbestimmt hatten, von uns abgefallen zu sein schienen, eröffnete das Studium der Evangelischen Theologie den fröhlichen und freiheitlichen Weg zu einer Begegnung mit einer kleinen Universität inmitten einer großen und vielfältigen. Verschiedene fachliche Interessen, die sich besonders in der Oberstufenzeit abgezeichnet hatten, ließen sich mit dem Studium der Evangelischen Theologie verbinden, ja realisieren: von der Erforschung der altorientalischen und griechisch-römischen Welt zu abendländischer Kunst- und Musikgeschichte oder Fragen je aktueller religiöser Kommunikation oder Medizinethik. Ein Studiengang, der zugleich die Welt der multiperspektivisch-pluralen academia eröffnet und miteinander verknüpft, löste mein Dilemma, mich zwischen Sprachen, Literatur, Geschichte, Philosophie oder den naturwissenschaftlichen Interessen, die die Leistungskurse in der Abiturzeit gefördert hatten, entscheiden zu müssen. „Derjenige muss Theologie studieren, den das Nachdenken über Gott nicht loslässt“, so lernte ich in meinen ersten Studiensemestern in Marburg. Daran hat sich nichts geändert! Gerade den älteren akademischen Lehrern in Marburg – akademischen Lehrerinnen begegnete ich dann erst später in meinem Studium in Erlangen – war nicht zuletzt aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und den durch ihn heraufbeschworenen Katastrophen geradezu existenziell bewusst, dass Theologie immer auch Ideologiekritik ermöglicht und in die Freiheit des Denkens führt. Hatten interessanterweise insbesondere meine Lieblingslehrer und -lehrerinnen in der Schulzeit die Freiheit ihres Denkens in Atheismus und Agnostizismus begründet, so lernte und erlebte ich im Studium: Sapere aude! ist von der Evangelischen Theologie, die keine Tabuzonen zulässt, nicht nur erlaubt, sondern gefordert. Alleine schon aus Gründen der Ideologiekritik und des Strebens nach schonungsloser Aufklärung arglos oder listig trüber Gedanken würde ich auch heute ein Studium der Evangelischen Theologie neugierig froh beginnen und denen, die nach Gott und Freiheit suchen, dazu raten, Ebensolches zu tun.

 

  1. Wie hältst Du‘s mit den Sprachen?

Die Sprachen – Hebräisch, Griechisch, Latein – haben mir in mehrfacher Weise den Weg in das Innere der Evangelischen Theologie erschlossen. Im kirchengeschichtlichen Proseminar übersetzten wir eine nicht in Übersetzung vorliegende Ablassinstruktion – mein schulisches Latein wurde so erprobt und weitergeführt. Im Griechischkurs, der zur Abitur-Ergänzungsprüfung führte, entstanden nicht nur wertvolle Freundschaften zu Studienbeginn. Ich erinnere das erste Weihnachtsfest mit Graecum genau und meine Freude, Lk 2 nun selbst in seiner lukanischen Urfassung lesen und übersetzen zu können. Ähnliches gilt für Hebräisch. Die Sprachen erschließen nicht nur die Texte in ihrer vermuteten Originalfassung, sondern auch die Denktraditionen hinter den Psalmen, die Erinnerungsformen von Geschichtserzählungen und die alltäglichen Artikulationsweisen von Menschen vor mehreren tausend Jahren, denen wir zumindest im Geiste begegnen können. Mit dem Spracherwerb wurden wir ernsthafte Kommilitoninnen und Kommilitonen unserer akademischen Lehrer: gleichberechtige Gesprächspartner beim Ringen um das sachgemäße Verstehen einer von Beginn an polyglotten Theologie in ihrer Geschichte. Die Bibel und ihre Auslegung – und mit ihr die Evangelische Theologie – leben geradezu vom Vorgang der ständigen Übersetzung! Philologische Ambition und Kompetenz erwiesen sich auch im Laufe meines weiteren akademischen Weges als mehrspuriger Highway: Die Beherrschung der antiken Sprachen der Theologie, zu denen im Übrigen zumindest auch Aramäisch, Koptisch oder Syrisch zählen würden, fördert die Sorgfalt im Umgang mit der eigenen Muttersprache sowie das Interesse an all den modernen Sprachen und ihren Eigenheiten, denen wir anderswo begegnen und die die internationale Vernetzung vor unsere Haustür trägt. Spracherwerb ist Freiheitsgewinn. Oder theologisch zugespitzt: Wer nicht zu Studienbeginn Latinum, Graecum und Hebraicum zu erwerben hat, wird es fortan schwer haben, from within zu erfassen, warum der Logos Fleisch werden musste (Joh 1,14).

 

  1. Wie hältst Du‘s mit BA/MA?

Die Freiheit meines Studiums mit Abschluss: „Evangelische Theologie: Kirchliches Examen“ konnte ich seinerzeit mit der Möglichkeit der Nachdiplomierung nutzen und wünsche mir – frei nach Paulus –, alle Menschen wären so wie ich und hätten gleiche Möglichkeiten (1 Kor 7,7). Doch seit meiner Studienzeit sind etwa 30 Jahre vergangen. Studienordnungen setzen Rahmen unter geänderten Bedingungen. Zu fragen ist: Was genau hat sich seither verändert? Solche Rahmen sollten nie um ihrer selbst willen, schon gar nicht um der Gremien willen gesteckt werden, sondern den Erfolg des Studiums gewährleisten und fortan zu sichern helfen. Diesseits des Rahmens wird ein Ermöglichungsraum, Theologie zu studieren, abgesteckt; nach außen dient der definierte Rahmen von Studienordnungen dazu, Vergleichbarkeit nachprüfbar und Leistungsnachweise dokumentierbar zu machen. Diese Rahmen sind gleichwohl nicht als Mauer fest in der Erden zementiert, sondern bestehen aus verschiedenen Materialien und können umgebaut werden. Die Diskussion über BA/MA empfinde ich als Umbauprozess, der gleichwohl einem Balanceakt gleicht. Denn der Ermöglichungsraum für das Studium der Theologie darf durch keine Studienordnung beengt oder verstellt werden. Was ich meine? Es braucht auch künftig fundierte philologische Kompetenz im Umgang mit dem „Wort Gottes“ von Studienbeginn an; es braucht nach wie vor Zeit zur Vertiefung in die anspruchsvollen Themen der Theologie, die vor die Geburt des Menschen zurückführen und über seinen Tod hinausreichen; es braucht auch weiterhin solides methodisches Rüstzeug wie auch die Freiheit bei der Wahl der Studienschwerpunkte; es braucht noch viel entschiedener den Leistungswillen, mehr zu lernen – seien es Vokabeln, Bibeltexte oder Konzilszahlen. Die Suche nach der „größeren Gerechtigkeit“ der Christus-Glaubenden (Mt 5,20) darf gerne den Anspruch einschließen, mehr zu wissen und mehr zu suchen. Jeder Rahmen, der den Ermöglichungsraum für das Studium der Theologie im Geiste dieses qualitativen „Mehr“ auf fundierter Wissensbasis eröffnet, ist willkommen. Denn weniger Wissen und Können wird nicht und von niemandem gebraucht. Evangelische Theologie hat in Deutschland für Jahrhunderte akademische und wissenssoziologische Maßstäbe gesetzt: Noblesse oblige – auch heute.

Widerstandspflicht (Thomas Kaufmann, Göttingen)

1) Das Studium der Evangelischen Theologie in Deutschland ist das Ergebnis spezifischer politischer, konfessioneller und wissenschaftsgeschichtlicher Entwicklungen; im Kern reichen sie ins Zeitalter der Reformation zurück. Denn damals wurde in einem um 1600 weitgehend abgeschlossenen Prozess etabliert, was seither selbstverständlich geblieben ist: Dass ein Pfarrer an einer Universität studiert hat, nicht nur in den artes dicendi (Rhetorik, Dialektik), sondern auch in Exegese, Dogmatik und der patristischen Literatur geschult ist und mit den drei ‚alten Sprachen‘ umgeht. Der Kern des Studiums besteht seit dem 16. Jahrhundert – ungeachtet theologiegeschichtlicher Nuancierungen und Evolutionen – darin, sich mit Geschichte, Gehalt und Gestaltwerdungen des Christentums in der Perspektive einer selbstverantworteten Positionierungsfähigkeit zu befassen. Wer Theologie studiert, strebt an, im kirchlichen und öffentlichen Raum für das Christentum einzutreten und sich bei seiner Existenz als Christ behaften zu lassen. Theologiestudium ist eine lebenslange Aufgabe; die Studienzeit weist in diese reflexive Dauerpraxis ein. Ein wesentliches Ziel des Studiums besteht darin, das eigene Lebensverhältnis zum christlichen Glauben reflexiv weiterzuentwickeln; wer sich während eines Theologiestudiums in seiner Frömmigkeit nicht verändert, hat falsch studiert. Als ein wesentliches Ziel meiner unterrichtlichen Tätigkeit habe ich immer empfunden, Theologiestudentinnen und -studenten mit dem inneren Variantenreichtum des Christentums, den sich in seiner Geschichte offenbarenden Alternativen in Hinblick auf Lehre und Lebensformen, vertraut zu machen und quasi im Modus historischer Annäherungen für differente Frömmigkeitsstile zu sensibilisieren. Spätestens seit konstantinischer Zeit ist ‚die Kirche‘ – im Unterschied zur ‚Sekte‘ – keine ‚homogene‘ Gesinnungs- und Lebensgemeinschaft, sondern ein Ort der Vielen, der Verschiedenen, jedermanns. Unbeschadet des Mitgliederschwunds unserer Tage hat sich daran im Prinzip nichts geändert. Deshalb ist es erforderlich, dass ein Pastor / eine Pastorin mit unterschiedlichen religiösen Stilen umzugehen vermag und davon absieht, einen eigenen Stil aufzuoktroyieren. Diese reflexive Distanzierungs- und Selbstrelativierungskompetenz erfordert Kritikfähigkeit – nicht zuletzt auch gegenüber sich selbst. Die intellektuell schonungslose, methodisch kontrollierte Umgangsweise der Evangelischen Theologie mit ihren ehrwürdigsten, ja ‚heiligsten‘ Gegenständen zielt im Kern darauf ab, religiöse Wahrheitsressourcen so zu entschärfen, dass sie für das Gemeinwesen verträglich sind. Das unterscheidet unsere reflexiv kultivierte Form von Religion von jeder Form des Fundamentalismus.

 

2) Der ureigenste Gegenstand der Theologie ist sprachlich verfasst. Theologie zu treiben bedeutet, die eigene Sprachfähigkeit zu entwickeln, zu erweitern, sprachlich sensibler zu werden, in eine polyglotte Sprachgemeinschaft, die seit mindestens zwei Jahrtausenden existiert und die zum Teil aus der ihr vorgängigen Sprachgemeinschaft Israels hervorgegangen ist, einzutreten. Von einer Sprache in eine andere zu übersetzten, fördert das Verstehen für das Gemeinte, nötigt zur vertieften Reflexion seines Sinns und impliziert einen transkulturellen Aneignungsprozess. Indem man die textlichen Grundlagen des christlichen Glaubens in Gestalt ihrer ursprünglichen oder frühen Sprachgestalten studiert, werden sie distanziert und verfremdet und erhalten so die Chance, in neuer Weise nahe zu kommen, zu sprechen und angeeignet zu werden. Insofern sind die alten Sprachen ein unverzichtbares Moment der reflexiven Distanzierung als Kernaufgabe aller Theologie. Dies betrifft freilich nicht nur biblische Texte; auch das Studium anderer theologischer Texte etwa auf Latein oder auf unterschiedlichen Sprachstufen des Deutschen schafft Distanz und ermöglicht Begegnung. Sollte die neuerliche Attacke auf die alten Sprachen erfolgreich sein, würde sie dazu führen, dass künftige Pastorinnen und Pastoren von der bis ins 18. Jahrhundert prägenden und allgegenwärtigen sprachlichen Formation unseres Kulturkreises, Lateineuropas, definitiv abgetrennt wären. Sie könnten die Inschriften und Grabsteine in ihren Kirchen nicht lesen; sie wären unfähig, ältere Akten zu studieren, sie wären außer Stande, die Bedeutung der Sonntagsnamen zu erklären – elementare Unbildung in Bezug auf eine lebendige Überlieferung, die eineinhalb Jahrtausende ‚unserer‘ Geschichte geprägt und bestimmt hat, wäre die Folge. Für mich wäre das ein Verbrechen – vergleichbar Eltern, die ihren Kindern jeden Zugang zu ihrer Familiengeschichte jenseits der eigenen Gegenwart verweigern. Eine Kirche, die sich im Präsentismus suhlt, aber wird an Alternativlosigkeit verenden.

 

3) Vor etwa 20 Jahren gelang die Abwehr der BA-MA-Struktur für das Pfarramt dank eines breiten Konsenses zwischen Kirchen und Fakultäten; ihn auf breiter Front durchzusetzen war ein großer Erfolg. Anhand der Erfahrungen mit den Lehramtsstudiengängen bin ich nachdrücklich davon überzeugt, dass dies richtig war. Denn die modulare Studienstruktur und die konsekutive Prüfungspraxis führt am Ende dazu, dass das jeweils ‚Abgeprüfte‘ als ‚erledigt‘ gilt. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig erlebten digitalen Transformation unserer Kultur, des veränderten Lese- und Lernverhaltens, der gewandelten Aufmerksamkeitsökonomie, der sich transformierenden Konzentrationsfähigkeit u. v. a. m., erscheint es mir wichtiger denn je, dass wir eine Studienstruktur verteidigen, die persönliche Entwicklungsprozesse fördert und in einen lebenslangen kreativen Umgang mit theologischen Wissensbeständen einweist. Die Einführung der BA-MA-Struktur wird in absehbarer Zeit dazu führen, dass wir Pastorinnen und Pastoren auf dem akademischen Schrumpfniveau eines BA erhalten werden, eines Theologen im Anfangsstadium, der lebenslang auf diesem Niveau verharren wird. Dazu dürfen wir es nicht kommen lassen. Noch ist die Theologie innerhalb der Universität ein anerkanntes akademisches Fach. Sollten die Reformvorstellungen des GK I-Papiers, die sich in eine bedrückende Geschichte des stetig gewachsenen Bedeutungsgewinns des Faches „Praktische Theologie“ einfügen, umgesetzt werden, wird es um die Reputation der Theologie an der Universität geschehen sein. Deshalb empfinde ich den Widerstand gegen die ruinösen Reformpläne als Pflicht.

Ein Theologiestudium für heute (Joachim Kunstmann, Weingarten)

Zur Lage der Theologie

Seit Jahren diskutiert man darüber, ob bei den stark sinkenden Studierendenzahlen nach wie vor Latein, Griechisch und Hebräisch gelernt werden müsse. Die Antwort ist vorhersehbar: selbstverständlich muss man. Sollte man aber nicht unbedingt auch Aramäisch und Altägyptisch voraussetzen, damit die Bibel auch wirklich verstanden wird? Fragen wie: Wo lernt ein Student eigentlich die Sprache der Gegenwart? Wo lernt er eine religiöse Sprache?, tauchen da nicht auf.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass man zwar historisch-kritische Exegese lernt, im Pfarramt viele die Bibel dann aber als mehr oder weniger wörtlich zu verstehendes Dokument der göttlichen Offenbarung behandeln. Die Sprachendiskussion trägt da zunehmend absurde Züge.

Bereits im Jahr 2001 hat Altbundeskanzler Helmut Schmidt in einer bemerkenswerten Rede auf den Abwärtstrend kirchlicher Zahlen verwiesen und verwundert bemerkt, dass das nirgendwo diskutiert werde; statt dessen: „business as usual“. Das lässt sich auf das Theologiestudium übertragen: es stellt eine Mischung aus Philologie und historischer Forschung dar, auch in der Systematik, während die Praktische Theologie am Rand bleibt. Es ist vergangenheits- und komplett Insider-orientiert. Gott spricht in der Bibel – also ist es lange her, dass ihn jemand vernommen hat. Muss man sich wundern, dass das Christentum in allen einschlägigen Umfragen (ausgenommen die Insider-orientierten EKD-Erhebungen) als überholtes Museumsstück gilt?

Die bedrückend wenigen Studienanfänger, die noch kommen, sind – vorsichtig gesagt – keineswegs mehr die kulturelle Elite. Das alles macht sehr deutlich: hinter den Zahlen steht ein Imageverfall, der diesen erst antreibt. Wer heute Theologie studiert, muss sich erstaunte Fragen anhören. Es ist dringend überfällig, den rasanten Bedeutungsverfall des Christentums klar zu benennen und offen zu diskutieren. Er ist in seiner Geschichte ohne Beispiel und wird in Kürze Folgen für die theologischen Fakultäten haben. Was muss das Theologiestudium angesichts dieser Lage leisten?

 

Zielvorstellungen für ein zeitgemäßes Theologiestudium

Die derzeitige Lage stellt massive Rückfragen an das gängige Studium, das mehr als nur Retuschen braucht. Offensichtlich gelingt es den ausgebildeten Theologen kaum, das Christentum plausibel nach außen hin – also zur weit überwiegenden säkularen Mehrheit – zu vertreten. Ob das nach innen hin gelingt, lasse ich einmal offen. Das Studium bildet zu einer profunden Kenntnis der christlichen Tradition, also des historischen Christentums aus, für das sich, pointiert gesagt, kaum jemand noch interessiert.

Wenn das auch nur annähernd stimmt, dann muss das Theologiestudium seine Insider-Logik aufbrechen, das Kreisen um die eigene Traditionsvergangenheit. Religiöse Vergewisserung entsteht schon lange nicht mehr durch die Orientierung an Vorgaben! Die gegenwärtige Religiosität, das religiöse Verstehen heute, die Säkularisierung müssen zentrale Themen sein.

Eine Zielvorstellung des Studiums könnte daher sein: die christliche Religion kompetent vertreten können – nach innen ebenso wie nach außen. Es geht um religiöse Kompetenz, die wird auch erwartet! Und die umfasst liturgische Kompetenz und religiöse Rede ebenso wie einen kompetenten Umgang mit religiöser Erfahrung, und vor allem: (christliche) Religion muss als übergreifende Lebensdeutung für die Erfahrungen und Fragen der Menschen heute verstanden und eingesetzt werden können, denn das ist die „Systemrationalität“ der Religion.

 

Eine Skizze

Der Fächerkanon kann beibehalten werden, muss aber dringend ergänzt und entsprechend entrümpelt werden:

  1. Hermeneutik: Diese ist weit wichtiger als die Sprachenfrage und muss mehr sein als historische Exegese. Was Bibel, Bekenntnisse und Reformatoren sagen, ist Niederschlag religiöser oder existenzieller Erfahrung, ergo zeitgebunden. Das bedeutet eine klare Kritik der evangelikalen Logik, auch wenn (oder gerade weil) diese von den Landeskirchen unterstützt wird. Die ist eine religiöse Sackgasse, die den Bedeutungsverlust der Religion gerade vorantreibt. Endlich darf die grundlegende Frage nicht mehr einfach beiseite geschoben werden: basiert das Christentum eigentlich auf der Botschaft des Jesus (Reich Gottes, Liebe) oder auf Paulus (Sünde, Gnade, Glaube, Gericht, Auferstehung)? Das ist wahrlich nicht dasselbe Fundament.
  2. Religionstheorie: Religion und religiöse Traditionen sind nicht dasselbe. Letztere können entleert sein und unverständlich werden und einer lebendigen Religiosität auch schaden. Traditionen sind Vergewisserungsgrund, Traditionalismus ist die Grundgefahr jeder kulturell etablierten Religion. Die massive Religionskritik des Jesus (Sabbatheiligung, lange Gebete, Priester, Tempel, Pharisäer usw. überzieht er mit teils heftiger Polemik!) muss endlich religiös ernst genommen, die Problematik von Glaubenslehren reflektiert werden. Hierher gehört auch die Apologie: man muss klare Argumente für (christlich-)religiöses Verstehen und Deuten kennen, also die Logik der Religion verstehen.
  3. Religiöse Kompetenz: Wissen um religiöse Erfahrung, religiöse Entwicklung, Spiritualität (i. S. etablierter religiöser Praxisformen) und gekonnte Liturgik sind für das Studium essenziell. Mindestens ebenso wichtig wie die Kenntnis der eigenen Tradition ist die Fähigkeit, in ihrem Sinne heutige Erfahrungen zu deuten und zu symbolisieren.
  4. Gegenwartskompetenz: neben soziologischem und psychologischem Grundwissen muss ein Wissen um positivistisch-naturwissenschaftliches Denken (und seine Alternativen), um säkulare Lebensführung (und ihre Probleme), ein Studium existenzieller Fragen und Erfahrungen heutiger Menschen (Erfolgswille, Sinnverlust, Erschöpfung, Ängste…) sowie deren kompetente christliche symbolische Deutung zum Kern des Studiums gehören. Nur so bleibt das Christentum lebendig.

Die Frage nach BA und MA scheint mir neben diesen grundsätzlichen Anfragen nebensächlich. Man kann sich da durchaus anpassen, warum auch nicht. Das Problem sind die vielen Prüfungen, die die Motivation vermindern.

Theologiestudium morgen (Jörg Lauster, München)

  1. Was ist des Studiums Kern?

Die Theologie hat sich in ihrer großen Geschichte nie zu einer eindeutigen Antwort durchringen können, ob sie eine theoretische oder eine praktische Wissenschaft ist. Das ist auch gut so. Sie lebt aus dieser Spannung, und diese macht sie erst interessant. Hoch fliegt die Theologie über den alltäglichen Dingen des Daseins und widmet sich den letzten und großen Fragen. Woher kommen wir, wohin gehen wir, warum sind wir hier? Sie ringt um Antworten im Lichte der christlichen Tradition. Sie stellt sich hinein in den langen Fluss einer Denkbewegung von Menschen, die daran glauben, dass in der Person Jesus Christus das Göttliche in der Welt sichtbar wird, und die sich fragen, was daraus für sie selbst, für das Verständnis von Menschsein, für das Verständnis der Welt folgt. Wie sollen wir leben, wenn in diesem Menschen wirklich das Göttliche erschienen ist?

Darin liegt der praktische Aspekt, der die Theologie immer auch zu einer praktischen Wissenschaft macht. Die Theologen des Mittelalters verstanden unter Praxis Wege zur Gottesschau. Die Aufklärung hat viele Federn gerupft, darunter auch diese. Schleiermacher reagierte und ermäßigte die Theologie zu einer Funktion, die zur Kirchenleitung befähigt. Von der Gottseligkeit zur Kirchenleitung, das ist gewiss ein tiefer Fall, aber zugleich auch eine redliche Selbsterniedrigung der Theologie. Anleitung zur Gottesbegegnung – das überschreitet bei weitem, was Wissenschaft an Universitäten leisten kann und soll. So ist der Kern des Studiums heute, im Lichte der großen Erfahrungen des Christentums Menschen auszubilden, damit sie in Kirche, Schule und Gesellschaft Tür und Tor öffnen, um andere Menschen an den großen Themen des Daseins im Lichte des Christentums teilhaben zu lassen.

 

  1. Wie hältst Du’s mit den Sprachen? 

Dass man zur Bewältigung dieser Aufgabe gemessen an den akademischen Standards unserer Zeit die wichtigsten Quellen, aus denen das Christentum die Kraft seiner Antworten bezieht, im Original studieren sollte, ist wünschenswert. Dass man sich dazu heute in einigen Fällen bis zu sieben Semester durch Hebräisch, Griechisch und Latein quälen muss, ist hingegen nicht mehr zeitgemäß. Um ein Gespür für die philologische Erschließung von Quellen und die Arbeitsschritte wissenschaftlicher Exegese zu bekommen, reicht es aus, dies an einer biblischen Sprache durchzuexerzieren. Für die beiden verbleibenden anderen, also entweder Griechisch oder Hebräisch und Latein sollte man im Zeitalter von ChatGPT mehr Fantasie aufbringen und nach Wegen suchen, die Studierenden funktionale Sprachkenntnisse vermitteln und originalsprachliche Verifizierungen möglich machen. Theologie ist nicht Philologie. Studierende müssen nicht Platon, Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin oder Melanchthon im Original lesen, um an den Schatz ihrer Gedanken zu gelangen. Es gibt exzellente Übersetzungen, und wir sollten froh sein, wenn diese gelesen und studiert werden. Und wenn dann noch hier und da ein Blick ins Original möglich ist, um so schöner, um so besser.

 

  1. Wie hältst Du’s mit BA/MA?

Bei der Formel BA/MA verlieren in der Theologie oftmals vernünftige Persönlichkeiten die Fassung. Es ist ein Rätsel, woher diese emotionale Aufladung kommt. Sie hat offensichtlich etwas mit Verlustängsten, Vergangenheitsglorifizierung und Zukunftsdepression zu tun.

Natürlich gibt es berechtige Einwände gegen die Bologna-Reform. An ihr ist wahrhaft nicht alles gut, ihre merkantile Grundausrichtung ist sogar ein echtes Übel. Aber die trotzige Ablehnung von Seiten einiger in der Theologie – de facto ist es inzwischen nicht mehr als eine laute Minderheit, das hat der Fakultätentag in Abstimmungsergebnissen gezeigt – ist vergangenheitsorientiert und letztlich destruktiv. Diese Haltung träumt von einer Sonderstellung der Theologie, die sie schon längst verloren hat.

Dieser Verlust ist ein Gewinn. Die guten, alten Zeiten, das hieß auch, 17 und mehr Semester Theologie ohne Plan, ohne Ziel, ohne Struktur. Die Umstellung auf BA/MA hilft, Studierende nicht länger mit einer uferlosen Stofffülle zu erdrücken, die alles eigene Nachdenken im Keim erstickt. Sie gewährt bessere Möglichkeiten, klare Lernziele zu formulieren und das Theologiestudium danach zu ordnen. Zudem ermöglicht die Umstellung, dass sich die Theologie in den Verbund der Disziplinen an den Universitäten integrieren kann. Wenn die Theologie sich in dieses System einbringt und daran mitwirkt, BA/MA-Programme zu verbessern und innerhalb des vorgegebenen Rahmens mehr intellektuelle Freiräume zu schaffen, kann sie am Ende als universitäre Disziplin nur gewinnen. Es erhöht ihre internationale und interdisziplinäre Anschlussfähigkeit und damit auch die Attraktivität des Faches an Universitäten.

Ob es so kommt? Die Theologie in Deutschland ist im Moment nicht reformierbar. Die einzelnen Disziplinen ringen mit ihren Verlustängsten. So wird beispielsweise die Exegese bis zum letzten Blutstropfen um den Erhalt ihrer Stellen kämpfen, obgleich es gemessen an den heutigen Herausforderungen zu viele sind, zu viele jedenfalls in der Art, wie Exegese heute betrieben wird. Der Fakultätentag versinnbildlicht diese Unreformierbarkeit. Auch wenn ihn, wie gegenwärtig, die klügsten und besten Vertreter ihrer Disziplinen leiten, es wird sich dort immer und immer wieder der Chor der Ewig-Gestrigen erheben und noch bis weit über den Jüngsten Tag hinaus über BA/MA oder Magister/Kirchliches Examen diskutieren wollen. Hinter dieser Verzögerungstaktik steckt nichts anderes als der Wunsch, dass alles so bleibt, wie es ist.

Die Idee einer einheitlichen Regelung durch einen Konsens in der Theologie ist tot. Es schlägt die Stunde der Landeskirchen und Fakultäten, die sich auf regionaler Ebene zu mutigen Schritten entschließen und Modellprojekte initiieren können, die gemessen an den heutigen Herausforderungen versuchsweise besser und stärker den Kern der Theologie ins Zentrum rücken. Wer etwas wagt, kann Fehler machen, das ist wahr, wer jedoch nichts tut, gibt auf. Das hat die Theologie nicht verdient.

Repliken zu Streit-Raum 1

Die Herausgeberin und die Herausgeber freuen sich über das rege Interesse am Streit-Raum zur Zukunft des Theologiestudiums, zu der sich nun unterschiedliche Stimmen geäußert haben. Wir danken für die Zusendungen der vielfältigen Repliken und weisen darauf hin, dass wir sämtliche bis zum 30. November 2024 eingegangene Repliken in ihrer jeweiligen Fassung unverändert veröffentlichen. Alle Beiträge bilden allein die Meinung ihrer Autor:innen ab.

 

Reformbedürftigkeit des Theologiestudiums (Benjamin Apsel, Inspektor des Theologischen Stifts der Georg-August-Universität Göttingen)

Die Debatte zur Reform des Theologiestudiums ist von vielen Ängsten bestimmt. Die größte Angst wird dabei ausgelöst durch den stärker werdenden Rückgang der Studierendenzahlen. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für das Theologiestudium, ob auf Lehramt oder Pfarramt. Der Rückgang ist in letzterem deutlich dramatischer und hat zwei entscheidende Konsequenzen: Erstens ist in allen Landeskirchen der Mangel an Pfarrpersonen schon jetzt spürbar. Zweitens erhöht der Rückgang der Studierenden den Druck auf die Theologischen Fakultäten, deren Anzahl und deren Ausstattung dadurch angefragt werden. Allerdings kann keine Studienreform diesen Trend umkehren, sondern allenfalls minimal verlangsamen. Denn der Rückgang der Studierendenzahlen hat unterschiedliche Ursachen: die voranschreitende Säkularisierung unserer Gesellschaft, der damit einhergehende Mitgliederschwund der Kirche sowie der gesellschaftliche Reputationsverlust des pfarramtlichen Amtes, um nur einige zentrale Gründe zu nennen. Eine Reform des Studiums wird daher nicht reichen, den Trend umzukehren. Gleichwohl sollte uns das nicht an den dringend benötigten Reformen hindern. Vielmehr ist dabei m. E. die Studierbarkeit des Magister Theologiae ins Zentrum zu rücken. Daraus ergeben sich Folgen für die drei Themenfelder, die im Streit-Raum eröffnet wurden.

1. Der Kern des Studiums und seine didaktische Vermittlung

Ist es die Aufgabe der Theologie, Studierende zu Expert*innen des evangelischen Christentums zu bilden, sie in ihrer theologischen Existenz zu stärken und reflexive, und das heißt selbstkritische Positionierungen zu den Gehalten, Traditionen und Formen des Christentums zu ermöglichen, so stellt sich die Frage, ob die gegenwärtige Struktur des Studiums dies ausreichend ermöglicht. Denn in all diesen Bestimmungen geht es um eine gesamttheologische Existenz, um gesamttheologische Sprachfähigkeit, nicht um eine rein kirchengeschichtliche oder rein exegetische. Die fachlich wie zeitlich voneinander getrennte Vermittlung der verschiedenen Hauptfächer erfüllt die benannte Aufgabe der Theologie jedenfalls nicht. Gerade in der sog. Integrationsphase, der Abschlussphase des Studiums, die eben ein solches gesamttheologisches Verstehen und Sprechen befördern soll, werden die Studierenden sich selbst überlassen, lediglich flankiert mit Repetitorien der einzelnen Fächer. Und die interdisziplinären Veranstaltungen im Studium sind nicht selten eine in zwei Fach-Hälften getrennte Veranstaltung. Wie soll hier eine gesamttheologische Existenz gefördert werden? Wie sollen die Bedeutungen der Erkenntnisse einer Disziplin für die anderen sichtbar werden? Eine Reform des Theologiestudiums sollte hier dringend ansetzen und den interdisziplinären Charakter des Studiums ausbauen.

2. Einführung eines BA/MA

Die Studienstruktur eines BA/MA kann eine solche interdisziplinäre Vermittlung der Theologie leisten. Konkrete Umsetzungen deutet das Reformpapier der Gemischten Kommission bereits an, indem es vorschlägt, Module einzurichten, in welchen anhand eines feststehenden Themas die verschiedenen Dimensionen der Theologie (historische, systematische und praxisbezogene) durch die verschiedenen Fächer repräsentiert und unterrichtet werden. Gleichzeitig setzt allein der Vorschlag, den Magister Theologiae in einen BA/MA zu reformieren, starke Ängste frei. Zentral ist die Angst um das Bildungsniveau unter den Pfarrpersonen, welches durch eine solche Reform massiv abgesenkt werden würde, wie es z.B. Thomas Kaufmann in seinem Beitrag befürchtet. Diese Angst ist nicht neu und hat bereits die Einführung eines sog. Masterprogramms für Spätberufene begleitet. Wieso das eine aus dem anderen notwendig folgt, erschließt sich mir allerdings nicht. Allein der Blick in die protestantischen Theologien anderer europäischer Länder widerlegt, dass ein BA/MA aus der Theologie ein Fach ohne Substanz werden lässt. Jedenfalls ist dieses Modell die Regel und der deutsche Magister Theologiae die Ausnahme.

Neben dem inhaltlichen Ertrag würde ein BA/MA auch die Studierbarkeit deutlich erhöhen. Denn anders als Joachim Kunstmann glaube ich nicht, dass in einem solchen Studiengang die Anzahl der Prüfungen abschrecken wird. Das Gegenteil ist der Fall: Die aktuell zahlreichen Prüfungsleistungen innerhalb des Studiums, die für den Gesamtabschluss ohne jede Relevanz sind, erhöhen vielmehr den Frust während des Studiums und den Druck während des Abschlusses.

3. Die Sprachen im Theologiestudium

Bei der Frage, welchen Stellenwart die Sprachen im Studium behalten sollen, sollte leitend sein, wie sie zur Aufgabe der Theologie beitragen. Dabei scheint Konsens zu sein, dass die theologische Aufgabe wesentlich eine hermeneutische ist, dass der Gegenstand der Theologie sprachlich verfasst ist. Theologische Kompetenz bedeutet daher wesentlich, die zentralen Zeugnisse des Christentums erschließen zu können. Für das Studium ist es daher m. E. ausreichend, neben dem Hebräischen biblisches Griechisch verpflichtend zu unterrichten. Die bereits anvisierte Verzahnung mit den jeweiligen Fächern in der Studieneingangsphase ist dabei weiter auszubauen. Teil der Ausbildung eines eigenen Zugangs zu den Quellentexten sollte auch sein, den Umgang mit bestehenden (digitalen) Hilfsmitteln und bereits von Expert*innen angefertigten Übersetzungen zu stärken. Es ist weder nötig noch zielführend, jeden Text allein zu übersetzen.

Die hermeneutische Aufgabe endet aber nicht in der Erschließung zentraler historischer Quellentexte. Es reicht nicht nur Zugang zu unserer Familiengeschichte zu haben, wie Thomas Kaufmann fordert, wir brauchen auch einen Zugang zu den unterschiedlichen Sprachen unserer vielfältigen Geschwister. Denn bei einem wachsenden und diverser werdenden weltweiten Christentum nur die eigene (Sprach-)Geschichte im Blick zu haben, reicht jedenfalls nicht aus, um Expert*in des evangelischen Christentums zu werden.

Mut zur Ehrlichkeit (Philipp Bauhaus, Vikar, Köln)

Als Vikar habe ich die Debatte um die Reform des Theologiestudiums mit Interesse verfolgt. Die Zeit scheint zu Reformen zu drängen. Aus diesem Grund sind nun in kurzer Zeit bereits mehrere Meinungsforen (Herder Korrespondenz, Theologische Beiträge) zu diesem Thema erschienen. In der Debatte fällt auf, dass sie vor allem von Lehrenden geführt wird, während die Stimmen der Studierenden selten erscheinen. Bei allen Repliken und vor allem in Bezug auf die Sprachen beobachte ich in der Debatte daher blinde Flecken und fehlenden Mut zur Ehrlichkeit über die wirklich gelebte Praxis im Studium.

1. Was ist des Studiums Kern?

Die Theologischen Fakultäten sitzen im gleichen Boot wie die Kirchen: Nachwuchs bleibt aus. Der Teil der Bevölkerung, der sich noch für Religion und Theologie in dem Maße interessiert, dass auch ein Theologiestudium angestrebt wird, wird zunehmend kleiner. Theologie studieren insbesondere Menschen, die bereits zuvor einen Sinn und Geschmack für das Religiöse entwickelt haben. Die Fakultäten waren und sind daher schon immer auf die Vorarbeiten von anderen Akteuren innerhalb der Kirchen(gemeinden) und des Religionsunterrichts angewiesen. Da all diese Akteure von einem sinkenden Interesse betroffen sind, sollte eine stärkere Vernetzung erfolgen, denn die Diskussion um die Zukunft des Theologiestudiums hängt eng mit der Diskussion um die evangelische Kirche und der Zukunft des Religionsunterrichts zusammen.

Häufig ist für die Aufnahme des Studiums der Wunsch ausschlaggebend, sich vertieft mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des christlichen Glaubens zu beschäftigen, um ihn später in verantwortlicher Position im kirchlichen oder schulischen Kontext leben und weitergeben zu können. Eine (noch) tiefergehende Verschränkung von Lehre und Praxis wäre daher wünschenswert und könnte an manchen Punkten ein Gewinn für das Studium sein, indem zum Beispiel die erste und zweite Ausbildungsphase direkter und sinnvoller miteinander verbunden werden. So könnte man Homiletik in der Gemeinde erproben oder Religionspädagogik analog zu den Studierenden im Lehramt in einem Praxissemester vertiefen. Mehr Praxis muss nicht automatisch etwas Schlechtes für das Erlernen der Theorie bedeuten. Im Gegenteil wäre dies ein Gewinn, da des Studiums Kern das Reflektieren der christlichen Praxis darstellt.

2. Wie hältst du es mit den Sprachen?

Der Beantwortung dieser Frage würde mehr Mut zur Ehrlichkeit guttun. Die Debatte kreist um die immer gleichen Argumente, wobei auf die gelebte Praxis im Studium nur selten geschaut wird. So ist es nicht unüblich, dass man nach dem Erwerb der Sprachen sehr gut durch das Studium kommen kann, ohne die Sprachen in eben diesem bis zum Examen nochmal vertieft zu gebrauchen. Dies führt immer wieder dazu, dass am Ende für die Klausuren und die mündlichen Prüfungen die Sprachen erneut gelernt werden müssen. Natürlich kann man an dieser Stelle die Schuld auf Seiten der Studierenden sehen. Der Umstand, dass man in der Regel vertieftes Sprachwissen nur ganz am Anfang und ganz am Ende des Studiums benötigt, zeigt allerdings auf, dass die Bedeutung der Sprachen im tatsächlichen Lehrbetrieb nicht so hoch ist, wie es in manchen Debattenbeiträgen erscheint. Wenn der Erwerb der Sprachen eine so hohe Bedeutung hat, wie ihm zugeschrieben wird, sollte sich dies auch im tatsächlichen Lehrbetrieb stärker widerspiegeln. Der aktuelle Gebrauch im Lehrbetrieb zeigt jedoch, dass es bei den Sprachfähigkeiten vor allem auf die biblischen Texte ankommt, so dass das geforderte Sprachniveau guten Gewissens auf das biblische Griechisch beschränkt werden kann. Auch Latein müsste im Studium in einem viel stärkeren Maß als heute in den Seminaren genutzt werden, damit das einjährige Lernen dafür nicht nur Studienvoraussetzung, sondern auch im Studium danach ein fester Bestandteil ist. In der heutigen Realität des Studiums wird Latein kaum gebraucht und ist somit für viele vor allem eine Formalie ohne Mehrwert in ihrem Theologiestudium. In der aktuellen Debatte wäre es daher ehrlich darauf hinzuweisen, dass die geforderte Sprachenreform in den allermeisten Fällen bereits heute die gelebte Realität ist. Es wäre also kein Verlust, wenn sich dies auch im Zuge der Studienanforderungen niederschreiben würde. An dem tatsächlich erlebten Lehrbetrieb nach dem Erwerb der Sprachen müsste/würde sich nämlich so gut wie nichts verändern.

3. Wie hältst Du’s mit BA/MA?

Das Examensmodell bietet den Vorteil, dass sich ganz am Ende des Studiums viele Bausteine, die man im Studium erlernt hat, zu einem Ganzen zusammenfügen. Dies ist sehr gewinnbringend und bietet den großen Vorteil dieses Abschlusses. Meine Erfahrung zeigt jedoch auch, dass die mittlerweile eingeführten Master für Quereinsteiger kein Qualitätsverlust bedeuten. Im Gegenteil werden durch sie neue Perspektiven eingebracht, die dem eingeschränkten Milieu, aus dem sich der Examensstudiengang rekrutiert, bislang fehlen und daher dem Studium guttun. Mehr Perspektiven und andere Hintergründe sind für eine zeitgemäße Theologie und Kirche dringend notwendig, so dass eine Flexibilisierung des Studiums zu begrüßen ist, weil Theologische Fakultäten und Kirchen mit einer Reform mehr gewinnen als verlieren können.

Der Reformprozess – eine Revision (Mareike Berk, Theologiestudentin und ehemaliges GK1-Mitglied, Marburg)

Zur Lage

Der Prozess zur Reform des Theologiestudiums ist ein von Machtstrukturen durchzogener Vorgang. Die Erfahrungen, die ich bei Versuchen, mich als Studierende in diesen Prozess einzubringen, gemacht habe, waren allesamt enttäuschend. Die Frage nach der Meinung der Studierenden ist immer wieder groß. Gleichzeitig wurden zu prozessentscheidenden Veranstaltungen wie dem Think Tank im April 2024 zu einer Übermacht von Professor*innen nur einige Studierende eingeladen.

Häufig habe ich in den Diskussionen den gleichen Ablauf erlebt: Das Professorium streitet wieder und wieder über die gleichen Punkte. Wenn die Diskussion dann komplett unbeweglich geworden ist, wirft irgendeiner die Frage nach den Studierenden in den Raum. Die könnten ja schließlich auch „Mal“ was dazu beitragen. Tatsächlich wurde die Meinung der Studierenden nur in den wenigsten Fällen inhaltlich aufgenommen. Viel häufiger wurde danach einfach am vorherigen Punkt weitergemacht. Auf schriftliche Anmerkungen bekam ich selbst als Mitglied der GK I nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

Wie viel Hoffnung darf ich also haben, dass mein Text auf einer Plattform erscheint, die von vier Professor*innen redigiert wird? Was darf ich mich hier trauen zu sagen, wenn ich zu einem dieser Professoren auch noch in direkter Abhängigkeit stehe?

Zum Kern

Allein die Annahme, es gäbe den einen Kern ist inkonsequent dem Studium gegenüber. Wir lernen nicht DIE eine Sache. So ist das Fach schließlich gar nicht angelegt.

Die Frage nach dem Kern erscheint wie eine Frage nach dem Sinn. Und die Antwort darauf ist in jedem Fall Teil des Theologiestudiums: Kontingenzbewältigung, statt weiter nach der Antwort suchen.

Zu den Sprachen

Ich habe mehrstündige Diskussionen erlebt, bei denen es um das Studium an sich gehen sollte und es dann NUR um die Sprachen ging.

Allen ist klar, dass drei alte Sprachen einen unattraktiven Start ins Studium darstellen. Aber irgendwie kann sich auch niemand von ihnen trennen.

Die Art und Weise, wie Professor*innen bei diesem Thema versonnen in die Ferne schauen und darüber reden, wie das bei ihnen damals war, und dass die Freundschaften aus dem Griechischkurs das ganze Studium überdauert haben, die Verklärung der Vergangenheit, die damit zusammenhängt, das Wissen darum, dass viele von ihnen damals bestimmt auch für die Abschaffung gewesen wären, all das führt mich immer wieder zu der Annahme, dass der Grund, warum diese Frage so stark diskutiert wird, ist, dass es sich um eine kollektive Traumaerfahrung handelt. Und im Trauma will man dann nicht allein sein. Alle müssen das Gleiche erleiden, damit sie fühlen können, wie schlimm es ist und anschließend wird darüber immer erstaunlich verklärt und ohne Bezug zum Leben berichtet.

Ich möchte wirklich nicht bestreiten, dass einen die Sprachen und der damit vertiefte Einblick in biblische Texte theologisch weiterbringen. Hat er mich sicherlich auch. Aber in unserer theologisch-pluralen Gegenwart gibt es SO VIEL, was uns inhaltlich weiterbringen kann. Zum Beispiel eine Traumafortbildung machen und dadurch die von Trauma gezeichneten Texte der Bibel besser verstehen können, Spanisch lernen, um die Texte von Theolog*innen wie Ivone Gebara im Original lesen zu können oder Zeit investieren, um sich mit gesellschaftspolitischen Debatten zu beschäftigen und diese theologisch zu reflektieren, um sich nicht nur in der Welt von gestern, sondern auch in der von heute zurecht zu finden. Alte Sprachen sind nur EINE von unendlich vielen theologischen Kompetenzen. Warum sollen wir alle dieselbe lernen? Ich wünsche mir ein Studium mit Zeit und Raum, um zu erkunden, zu finden und weiter zu suchen.

Zu Bachelor/Master

Dass auf inhaltliche Fragen immer wieder mit strukturellen Überlegungen geantwortet wird, ist hauptsächlich eine Ablenkungsstrategie.

Wie wenig manche Professor*innen von der Studierendenwirklichkeit in den aktuellen Systemen verstanden haben, zeigte sich besonders beim Think Tank. Der eine wichtige Grund gegen die Umstellung auf BA/MA war für Vertreter*innen des Magisters, dass durch unterschiedliche Regelungen der Unis der Studiengang sonst ja gar nicht mehr überall gleich wäre. News Flash: Das ist er auch jetzt schon nicht.

Das andere beliebte Argument ist, dass die Freiheit im Studium dadurch verloren gehe, dass im Bachelor/Master alles ganz böse modularisiert wird. News Flash: Das Studium ist an den meisten Standorten schon vollständig modularisiert. Für alle, die es noch nicht verstanden haben: Modularisiert bedeutet, dass wir Modulabschlussprüfungen machen, deren Noten dann fürs Examen keine Bedeutung mehr haben. Statt zusätzlich, zu diesen Prüfungen, eine Abschlussarbeit zu schreiben, hängt dann am Ende des Studiums alles am Examen und wer es bis dahin nicht schafft, steht nach 5 Jahren Studium ohne Abschluss da. Dass diese Absurdität bei einer Umstellung auf Bachelor/Master wegfallen würde, fühlt sich für mich ehrlich gesagt nach sehr viel Freiheit an!

Die Frage sollte aber auch gar nicht sein, welches Studienmodel das bessere ist. Wir können doch die Frage offenlegen, um die es geht: Wie erreichen wir überhaupt wieder gesellschaftliche Relevanz, damit unsere Fachbereiche/Fakultäten nicht in 10 Jahren dicht gemacht werden? Das kann ich auf 6.000 Zeichen nicht beantworten. Was ich aber an diesem Prozess beobachten kann, ist, dass das Professorium sich verzettelt. Wenn es mal zu einem Gespräch über Inhalte kommt, welches lange genug läuft, um die Sprachen wegzulegen, dann ist der nächste Streitpunkt, welches Fach am unverzichtbarsten ist.

Was wollen wir also von der Reform?

Vielleicht fangen wir mit den Basics an: Machtkritik, echte Partizipation, gesellschaftliche Themen und Kompetenzen in den Fokus nehmen, weg vom Schreibstuben-Image. Wir beschweren uns, dass wir an den Rand der Gesellschaft rücken. News Flash: Daran sind wir selber schuld. Aktuelle Themen werden selten auf Altgriechisch diskutiert.

Es geht ums Ganze der Theologie (Jürgen Boomgaarden, Professor für Systematische Theologie, Koblenz)

Was ist des Studiums Kern?

Vielen Lesern ist sicher Luthers schöne Empfehlung bekannt, dass man schwierige biblische Texte gleich einer Nuss gegen einen Felsen werfen soll, um sodann den süßesten Kern zu erhalten (Psalmenglossen 1513/15). Der Fels ist Christus. Das Studium ist so eine intensive Wurfübung, bei der das Wurfziel nicht von vornherein deutlich vor Augen steht, sondern sich erst bei intensivem Werfen zu erkennen gibt. Nicht nur biblische, sondern auch andere Texte, moderne Fragen und Probleme aller Art werden auf Christus geworfen in der Hoffnung, dass ein süßer christlicher Lösungskern sich zeigen wird. Wenn Studierende solche süßen Kerne dann mit in ihren theologischen Beruf nehmen können, sich weiter im Werfen üben und andere darin anleiten, ist das Studium geglückt.

Auch uns Lehrenden bleiben Fehlwürfe nicht erspart. Einmal vermeintlich getroffen, könnte der gleiche Wurf später nochmal ausgeführt völlig vorbeigehen. Wir alle stehen in der Gefahr, eine Wurftechnik zu konservieren, die für unser zurückliegendes Studium sehr erfolgreich war, aber inzwischen nicht mehr zum Ziel weist. Die Wurftechnik muss genau auf die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Ausübenden angepasst sein, sie muss das gesellschaftliche Gelände miteinkalkulieren. In einer Welt, in der klassische Bildung Achtung hervorrief, in einer Gesellschaft, in der die Universität ein Tempel des Geistes war, konnte das Christentum nur überzeugen, wenn es Kanzel und Katheder dem im klassischen Sinn Gelehrten reservierte. Im beginnenden 21. Jahrhundert haben sich Gesellschaft und Universität gewandelt. Aus dem Tempel des Geistes, zu dem die Gesellschaft aufschaute, ist ein Dienstleister für die Gesellschaft geworden, der Wissen liefern soll. Statt klassischer Bildung ist Expertise gefragt, die unmittelbar in die Gesellschaft eingespeist werden kann.

Theologisches Studium heute

Die Theologie ist von diesen Entwicklungen in besonderer Weise betroffen, weil ihr Gegenstand im Unterschied zu anderen Disziplinen nicht unmittelbar einsichtig zu machen ist. Wissenschaftliche Theologie ist für die Gesellschaft weithin eine contradictio in adiecto. Sich angesichts des gesellschaftlichen Umfelds auf ein Studium der Theologie einzulassen, ist heute eine sehr mutige Entscheidung. Das BA/MA-System erleichtert diesen Schritt, wenn Studierende durch den fortschreitenden Erwerb ihrer Endnote schon früh eine relevante Anerkennung ihrer Leistungen erfahren. Die Verschulung des Studiengangs kann Lehrende wie Lernende dazu anhalten, die Notwendigkeit von Wissensinhalten für das theologische Selbstverständnis – und nicht zuletzt für den späteren Beruf – einer fortdauernden Prüfung zu unterziehen.

Hatte das Studium noch vor einiger Zeit seinen guten Sinn darin, in innerakademische Diskurse einzuführen – in der Hoffnung, dass die Studierenden für ihre späteren Praxis daraus schöpfen können –, so kann dieser Ansatz die meisten Studierenden heute nicht mehr überzeugen. Innerakademische Diskurse – in den Geisteswissenschaften – werden nicht mehr als Weg zum heiligen Gral der Wahrheit geachtet, sondern sind in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eher eine Spielwiese für Nerds. Denkwürdige Themen sind heute mit der gegenwärtigen gesellschaftlichen Praxis, mit ihren Problemen und ihrer Ästhetik zu verknüpfen.

Es geht ums Ganze der Theologie

Sicher wäre die Theologie angesichts dieser veränderten Gegenwartslage schlecht beraten, jedem aktuellen Thema hinterherzurennen und es mit einem süßen Überguss – Frieden, Liebe, Bewahrung der Schöpfung etc. – zu verzieren. Er ist meistens unnötig und blättert schnell ab. Die Theologie muss an den süßen Kern des Ganzen. Den freizulegen wird ihr nur mit vereinten Kräften gelingen. Damit komme ich zu dem in meinen Augen eigentlichen Reformbedarf des Theologiestudiums. Die mangelnde Attraktivität des Theologiestudiums ist auch einer anhaltenden inneren Schwäche der Theologie geschuldet.

Die Differenzierung in die theologischen Disziplinen ist zur Aufspaltung verkommen. In früheren Zeiten stand das Ganze der Theologie kaum in Frage und es war geboten, ihre innere Differenziertheit zu fördern. Heute geht es um das Ganze, das wir Lehrenden in unseren spezialisierten Forschungen selbst kaum noch wahrnehmen. Aber wie sollen dann Studierende – in der Examensvorbereitung?! – die einzelnen Disziplinen zu einem in sich notwendigen Ganzen zusammenfügen können, wenn es nicht schon im Studium Gestalt angenommen hat? Wir brauchen im Studium exegetische Veranstaltungen mit intensiver dogmatischer Besinnung, Veranstaltungen systematischer Theologie mit praktisch-theologischem Tiefgang usw. Solche Verschränkungen werden in Lehrkooperationen hier und dort schon verwirklicht, aber müssen in der Breite geschehen. Wie dafür organisatorische Weichen im Aufbau des Studiums gestellt werden können, wäre des Nachdenkens wert.

Mir scheint die breite traditionelle Sprachenausbildung für die gegenwärtigen Erfordernisse der Theologie zu viel Lernzeit zu binden. Sie sollte kürzer sein. Statt einen Urtext flüssig zu übersetzen, halte ich es für wichtiger, dass ein Studierender z.B. das Thema der Schöpfung in seinem exegetisch-kirchengeschichtlich-systematisch-praktischen – und damit theologischen – Zusammenhang fundiert darlegen kann.

Die fachlichen Verschränkungen sind nicht nur um der Studierenden willen notwendig, damit ihnen das Studium nicht in lauter particulae veri zerfällt, sondern um der Wahrheit der Theologie willen. Wenn Theologen die höchst anfechtbare Aussage wagen wollen, dass Gottes Liebe in dieser Welt hier und heute präsent ist, dann müssen sie stringent und mit historischem Bewusstsein von dem gegenwärtigen Christus reden können, der in Jesus von Nazareth zu identifizieren ist und dessen Person und Botschaft nur im Horizont der ganzen Bibel recht verstanden wird. So bekommt man den richtigen Schwung in den theologischen Gedankenwurf und erhält christliche Kerne, die aktuell in ihrer Zeit sind, ohne ihr zu verfallen.

Mut zum Realitätscheck (Aneke Dornbusch, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kirchengeschichte, Bonn)

Die bisherigen Beiträge im Streit-Raum haben die Vielstimmigkeit der aktuellen Reformdebatte aufgezeigt. Ich möchte dazu die Stimme einer „Nachwuchswissenschaftlerin“ ergänzen und habe für meinen Beitrag daneben mit vielen ehemaligen Kommiliton:innen Rücksprache gehalten, die im Mag. Theol. studiert haben und heute im Pfarrdienst tätig sind.

Die aktuelle Debatte wird bis jetzt vor allem auf struktureller Ebene geführt. Es geht um Prüfungsformen, Sprachvoraussetzungen und Abschlüsse. Dahinter steht die (sehr fragliche) Vorstellung, dass strukturelle Reformen wie die Abschaffung des Examens oder die Einführung eines BA/MA die Studierendenzahlen, die bekanntlich der Ausgangspunkt der Debatte sind, erhöhen könnten. Wenig in den Blick genommen wurde bis jetzt die Frage, ob wir das Theologiestudium selbst – unabhängig von der Zahl der Studierenden – noch für inhaltlich angemessen, zeitgemäß und didaktisch sinnvoll halten.

Dies führt direkt zu der Frage, was wir als Kern des Theologiestudiums verstehen. In den letzten Jahren hat sich dazu der Begriff „Expert:innen des Christentums“ herausgebildet. Ich sehe im Substantiv „Expert:in“ ein Problem, da es keine Aussagen über Kompetenzen macht. Was genau sollte ein:e Expert:in können? Daneben ist auffällig, dass aktuelle Überlegungen über den Pfarrberuf bisher kaum in die Debatte eingeflossen sind. Wir sprechen also über Reformen, ohne uns darüber verständigt zu haben, was genau unsere Absolvent:innen nach Ende ihres Studiums können sollen. Um hier einen Aufschlag zu machen, schlage ich spontan zwei Ziele vor: Sie können zum einen die 2000 Jahre alte christliche Tradition verstehen und vermitteln. Zum anderen können sie die christliche Botschaft in ihre Gegenwart hinein angemessen verkündigen. Natürlich hängen beide Aspekte zusammen.

Fragt man heutige Pfarrpersonen, so wird schnell deutlich, dass sie sich gerade in Bezug auf die zweite Kompetenz durch das Studium nicht ausreichend vorbereitet sehen. Ein Grund dafür ist der in Deutschland zurzeit stattfindende Traditionsabbruch: Die Landeskirchen erleben einen überraschend schnellen Bedeutungsverlust, der sich nicht nur in Mitgliederzahlen ausdrückt, sondern auch in der schwindenden Rolle christlicher Player in der gesellschaftlichen Meinungsbildung und dem Abbruch des Grundwissens zum Christentum in breiten Teilen der Bevölkerung. Die heutigen Studierenden kommen aus einer anderen Lebenswelt als frühere Generationen an die Hochschule: Sprachkenntnisse, grundlegende Wissensbestände zum Christentum und Erfahrungen in christlicher Lebenspraxis können nicht mehr vorausgesetzt werden. Gleichzeitig entlassen wir unsere Absolvent:innen in eine Lebenswelt, in der sich die Landeskirchen in einem enormen Transformationsprozess mit offenem Ausgang befinden.

Tragen wir dieser Tatsache Rechnung, indem wir unsere Inhalte einer kritischen Prüfung unterziehen? Müssten wir nicht neben der historischen Dimension der klassischen Fächer verstärkt eine Gegenwartshermeneutik einüben und auch kritisch diskutieren, welche Inhalte aus und neben den fünf bzw. sechs Hauptfächern zielführend für unsere Studierenden sind?

Vermutlich kann eine Auseinandersetzung über Studieninhalte am besten durch eine völlige Neukonzeption eines BA/MA ermöglicht werden. Die viel beschworene Freiheit der Studierenden im Magister ist durch die Bürokratisierung des Studiums in der Praxis heute dahin. Wir operieren längst mit Modulen und konsekutiver Prüfungspraxis, das Abschlussexamen ist vor diesem Hintergrund kaum noch zu vermitteln.

Abschließend zur Sprachenfrage: Wieso wollen wir unbedingt an der Struktur, das Sprachenstudium dem Fachstudium vorzulagern, festhalten? Auch in anderen Studienfächern, in denen Sprachen eine zentrale Rolle spielen, Regionalstudien wie Skandinavistik, vergleichende Literaturwissenschaften, Archäologie etc., werden die Sprachen im Verlauf des Studiums gelernt und gleichzeitig bereits Fachmodule absolviert. Dass dies auch in der Theologie möglich ist, zeigen die Lehramtsstudiengänge, wo wir bereits jetzt ohne sprachliche Zugangsvoraussetzungen unterrichten und natürlich Lernerfolge erzielen. Wieso also nicht Hebräisch und Griechisch im Verlauf des Studiums, verzahnt mit Fachlehre, erlernen, so dass die Sprachkenntnisse zum Abschluss des Studiums und damit zum Berufseintritt auf ihrem höchsten Niveau sind?

In Bezug auf Latein erlebe ich einen Widerspruch zwischen Idealbild und Realität: Natürlich ist Latein für die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kirchengeschichte immens wichtig. Gleichzeitig ist die Rückmeldung aus dem Pfarramt klar: Latein spielt in der Berufspraxis dort keine Rolle. Im Ersten Examen wird Latein im Regelfall nicht mehr geprüft, da die Studierenden über die entsprechenden Kenntnisse einfach nicht verfügen. Sollten wir vor diesem Hintergrund wirklich an verpflichtenden Lateinkenntnissen festhalten? Die Frage, „Müssen alle alles lernen?“ sollte ernsthaft diskutiert werden. Wäre es nicht auch für uns Lehrende zielführender, Latein wäre eine Vertiefungsmöglichkeit unter anderen, und wir könnten mit einer kleinen, aber wirklich interessierten Gruppe Quellenstudium betreiben? Eine so mögliche Spezialisierung würde auch bei der Einlösung des langgehegten Versprechens helfen, dass der Studiengang auch für andere Berufsfelder qualifiziert.

Schon heute werden in den Landeskirchen Menschen mit diversen Bildungsbiografien ins Vikariat übernommen oder als Pfarrverwalter:innen ausgebildet, da sie dringend gebraucht werden. Unsere Zukunft als akademische Theologie ist eng daran gebunden, ob wir plausibel machen können, dass ein Magister- bzw. BA/MA-Studium in Theologie am besten auf das Pfarramt vorbereitet. Aktuell ist hier eine Dissonanz bei Studierenden und Absolvent:innen deutlich spürbar. Was ist unsere Antwort?

Um der Demokratie willen (Yiftach Fehige, Professor für Naturwissenschaft und Religion, Toronto)

1. Über die sozialen Medien bin ich auf den neuen „Streit-Raum“ gestoßen. Der Kollege Hartmut von Sass hat ihn beworben. Es ist eine gute Initiative, denke ich. Den Verantwortlichen gratuliere ich zur Idee und wünsche dem neuen Ort zur theologischen Auseinandersetzung viel Erfolg! Das erste zu „be-streitende“ Thema ist die Zukunft des Evangelischen Theologiestudiums an Universitäten in Deutschland—ein wichtiges Thema. Vier Standpunkte stehen diesbezüglich im „Streit-Raum“ einander gegenüber. Ich bin sehr dankbar für die klaren Stellungnahmen von der Kollegin Eve-Marie Becker und den Kollegen Thomas Kaufmann, Joachim Kunstmann, und Jörg Lauster, und möchte die Einladung gerne annehmen, auf sie zu reagieren.

2. Ich selbst bin weder Evangelischer Theologe noch an einer deutschen Universität tätig. In diesen Hinsichten mische ich mich von außen ein. Ich tue dies, weil mich das Thema sehr bewegt, und zwar nicht nur, weil ich in Kanada als Theologe an einer öffentlichen Forschungsuniversität wohl zu einer aussterbenden Art gehöre. Mich interessiert die Theologie als Wissenschaft und ihre sich wandelnde Stellung im Kontext der Universität als einer sicherlich bedeutenden Institution in heutigen demokratischen Gesellschaften.

3. Theologie gehört an die Universität, und zwar um beider Willen. Ich begrüße den Aufruf des Kollegen Kaufmann, sich gegen Veränderungen zu wehren, insofern damit einem missverstandenen Säkularisierungsdruck entgegengetreten wird. Kirchliche Hochschulen sind nicht notwendigerweise wissenschaftlich minderwertiger. Was ihnen jedoch eindeutig fehlt, ist der Austausch mit anderen Wissenschaften. Dieser Austausch bereichert auch die Universität und somit die Öffentlichkeit, der sie dient. Unsinnige Theologien aus anderen Disziplinen können sich ebenso wenig unkontrolliert ausbreiten wie innerhalb der theologischen Wissenschaft. Eine derartig institutionalisierte Kontrolle ist theologisch enorm wichtig, da ich die Auffassung vertrete, dass Offenbarung nicht abgeschlossen ist und sich nicht auf einen isolierten kirchlichen Bereich oder eine bestimmte religiösen Tradition beschränkt. Theologie ist mehr als nur die Neuaneignung von heiligen Schriften und kirchlichen Traditionen, die bereits alles enthalten würden, was Gott den Menschen zu sagen hat.

4. Kollege Kaufmann betont zu Recht die Bedeutung theologischer Vielfalt. Meines Erachtens legt dies nahe, konfessionelle und religiöse Engführungen zu vermeiden, insbesondere im Hinblick auf die universitäre Organisation theologischer Lehre und Forschung mit allen daraus folgenden Konsequenzen für das Theologiestudium. Es sollte eine einzige theologische Fakultät an den Universitäten geben, die multikonfessionell und multireligiös ausgerichtet ist. Die Entscheidung der Universität Hamburg, zum Beispiel, die Evangelische Theologie nicht in den neuen „Fachbereich Religion“ zu integrieren, ist sicherlich eine verpasste Gelegenheit. Man kann sicherlich darüber streiten, ob die Namensgebung des neuen Fachbereichs Religion ein Glücksfall ist.

5. Zum „Klein-Klein“ der Studienordnung möchte ich nur Folgendes sagen: Die Sprachen sind nicht nur in der Theologie zum Diskussionsthema geworden—dies ist sicherlich allen bewusst. An meinem Institut war der Nachweis sprachlicher Kompetenzen in Französisch und Deutsch für Doktoranden Pflicht. Die Neuregelung sieht nun vor, dass Betreuer und Doktoranden gemeinsam entscheiden, welche Sprachkenntnisse für ein wissenschaftsgeschichtlich orientiertes Promotionsprojekt erforderlich sind. (Wissenschafts-) Philosophisch hat man sich längst von Sprachanforderungen verabschiedet. Wenn überhaupt, dann sollte Logik beherrscht werden. Wenn jedoch ein Doktorand eine Dissertation über die Physik von Aristoteles schreiben möchte, muss natürlich Klassisches Griechisch erlernt werden, falls diese Sprachkenntnis nicht vorhanden ist. Ich denke, Sprachregelungen sollten pragmatisch gehandhabt werden. Kein Theologiestudium sollte an den Sprachanforderungen scheitern. Ich beherrsche Latein, Koine-Griechisch und Hebräisch, wie es vom Kollegen Kaufmann zur Ausbildung theologischen Urteilsvermögens gefordert wird. Dennoch würde ich mir niemals anmaßen, mich etwa in exegetische Fachdiskussionen mit eigenen Positionen einzubringen. Theologisches Urteilsvermögen im wissenschaftlichen Kontext ist vielfältig. Außerdem sind Pfarrer und Lehrer keine „Professoren im Kleinen“. Es handelt sich um eigenständige Berufe mit je eigenem Profil. Dementsprechend kann es auch nicht den einen Kern des Theologiestudiums geben.

6. Schließlich: Universitäten verändern sich, weil sich Gesellschaften verändern. Dabei sind sie zugleich Subjekte und Objekte des Wandels. Ich sehe nicht, warum Theologie ganz anders sein und sich daher Veränderungen entgegenstemmen sollte. Einst war Theologie an den Universitäten wichtig für den Aufbau einer Nation; Kaiser Wilhelm II. hatte seinen Adolf von Harnack. Heute sollte sich die Theologie so strukturieren und organisieren, dass sie dem gesellschaftlichen Anspruch gerecht wird, Universitäten zu kulturellen Ankern der Demokratie zu machen. In dieser Hinsicht scheint Kollege Lauster richtig zu liegen: „Die Idee einer einheitlichen Regelung durch einen Konsens in der Theologie ist tot.” Zumindest in diesem Fall sollte man nicht auf eine Auferstehung hoffen.

Die Hoffnung auf Gottes Reich, neu betrachtet (Dankwart Kirchner, Dr. theol., Gruppenpsychotherapeut, Berlin)

Ich antworte auf Joachim Kunstmann und seiner Frage nach der Basis des christlichen Glaubens.  Ist es die Botschaft Jesu: „Reich Gottes und Liebe“ oder die des Paulus: „Sünde, Gnade, Glaube, Gericht, Auferstehung“? K. plädiert dafür, Jesu Religionskritik (Sabbatheiligung u.a.) endlich ernst zu nehmen. Ich möchte mich den beiden genannten Schwerpunkten der Botschaft Jesu zuwenden, um dadurch einen anderen Kritikansatz zu gewinnen. Dabei ist wohl Konsens: Jesus verkündigte das Reich Gottes. Er sah schon in seinem Handeln, dem Dämonenaustreiben, Gottes Wirken: Lk 11,20. Den Satan sah er wie einen Blitz vom Himmel stürzen Lk 10,18. Damit galt die Macht des Satans als gebrochen und das Reich Gottes als angebrochen. Wenn man nun die nachfolgende Geschichte betrachtet, hat sich beides nicht  realisiert.  Da aber die Hoffnung der Anhänger Jesu groß war, sie auch mit Gottes Kommen gerechnet hatten, wurde begonnen, Jesu Tod als Zeichen von und für Gott zu deuten. So steht in Römer 10,9b: „Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist und glaubst in deinem Herzen, dass Gott ihn von den Toten erweckt hat, so wirst du gerettet.“ Dazu Werner Kramer: „Römer 10,9b nennt nur einen Heilsakt, den es im Herzen zu glauben gilt“.[1] Nichts von Kreuz, nichts von Sündenvergebung zu lesen. Diese Glaubensinhalte wurden später (oder parallel) ausgearbeitet. Wenn nun aber Gott nicht mit seinem Reich kam, der Satan aber bis zu Luthers Zeiten und darüber hinaus höchst wirksam war, schlage ich vor zurückzuschauen, wann die Vorstellung, dass Gott kommt bzw. der Satan sein Reich aufgerichtet hat, begann. Ich setze ein bei 2 Sam 24,1ff im Vergleich zu 1 Chron 21,1ff. Alfred Bertholet hat darauf hingewiesen, dass Gott von jeglichen Verbindungen zur Sünde nach dem Exil entlastet wurde.[2] Besonders lehrreich sei dabei „ein Vergleich von II Sam 24,1 mit I Chron 21,1“ (ebd.). Bemerkenswert ist nun, dass Gott nicht nur an dieser Stelle entlastet und der Satan belastet wurde, sondern auch Ex 4,24 und Gen 22,1 -12*.[3]  Aber auch hier gilt: Der Satan hat diese Taten Gottes nicht getan. Doch er wurde nach dem Exil mit seiner Macht immer stärker herausgestellt, so dass Paulus in 2 Kor 4,4  von ihm als „dem Gott dieser Welt“ sprechen kann. Da diese genannten Textentwicklungen kommuniziert entstanden sind – sind keine göttliche Offenbarung, besitzen keine ontologische Basis -, ist damit zu rechnen, dass die Fortsetzung zur Zeit Jesu ebenfalls kommuniziert wurde, auch wenn es als Offenbarung aufgenommen wurde. So musste auch Paulus diesem Unterschied zwischen Ontologie und Kommunikation Tribut zahlen. 1 Kor 13 beschreibt er im Hohen Lied der Liebe, was sie alles vermag und auch nicht vermag. Sie erträgt alles; sie duldet alles (V.7). Sie eifert nicht und sucht nicht das Ihre (V.4+5). Alles wird als ontologische Qualität der göttlichen Liebe verstanden. So kann er auch schreiben: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Röm 8,28). Paulus wird aber in einer Auseinandersetzung mit Korinthern so gereizt, dass er ihnen in 2 Kor 12 vorhält, ihn nicht zu loben (V.11) bzw. von ihnen nicht ausreichend geliebt zu werden (V.15). Das eine ist also die reine Gottesliebe, von der Paulus überzeugt ist, dass er durch den Glauben an Christus sie empfangen hat. Das andere ist die menschliche Realität, in der jeder Mensch nicht nur liebt, sondern auch gleichzeitig wiedergeliebt zu werden sich wünscht. Ich denke, Paulus unterliegt einer Wahrnehmungsbeeinträchtigung durch seine Vorstellung der reinen, göttlichen Liebe. Sie gilt ihm als Offenbarung, nicht als Produkt einer menschlichen Kommunikation.  Da wir diese Vorstellung nicht infrage stellen, wirkt sich das auch auf anderes unserer Tradition aus. So gehört in unser  Gesangbuch der Choral „Gott ist gegenwärtig“, EKG 165. Der 3. Vers beginnt: „Wir entsagen willig allen Eitelkeiten, aller Erdenlust und Freuden.“ Aber auch das Bonhoeffer-Lied „Von guten Mächten“, EKG 65, geht an der Realität vorbei. Vers 3: „Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand“.[4] Es heißt nicht:  Wir wollen uns bemühen, auch Schicksalsschläge mit unserem Glauben in Einklang zu bringen. Wir wollen uns bemühen, nicht allzu eitel zu sein. Es heißt: Wir entsagen willig allen Freuden. Wir nehmen Leid dankbar entgegen. Das sind nicht Versprecher. Das sind Wahrnehmungsstörungen in der Nachfolge des Paulus. Nein, genau genommen liegt die Ursache dieser Störungen beim Ausbleiben von Gottes spürbarer Gegenwart. – Für die Frage nach dem Theologiestudium heute bedeutet das  zu prüfen, wie es zur Vorstellung kam, dass ein Mensch – Jesus – zum göttlichen Erlöser werden konnte.

 

[1] Christos-Kyrios-Gottessohn, 1963, S. 16.

[2] RGG Bd. 5, 2. Aufl. Sp. 878.

[3] Die Texte befinden sich in: Dankwart Kirchner: „Vom Zorne Gottes und vom Zorn des Menschen,2013, S. 54-62.

[4] Als unser Sohn mit 52 Jahren starb, hätte ich Gott dafür dankbar sein müssen. – Eine Jugendgruppe sang aus Anlass der 80. Wiederkehr 2018 des Pogroms von 1938 bei einer Prozession in Berlin an Orten, die besonders an die damaligen Ereignisse erinnern, auch diesen Vers 3 aus dem Bonhoeffer-Lied.

Theologie studieren zu welchem Beruf? (Stefan Koch, Manager in Berlin)

In die aktuelle Diskussion mischt sich seitens der Landeskirchen eine jedenfalls mir neue Tonlage. Der Sprechwechsel stellt die künftige Verbeamtung der Absolventinnen und Absolventen des Theologiestudiums in Frage. Kirchlich würden durch eine (sogar rückwirkende?) Schließung des Beamtenstatus und die Überführung in das Angestelltenverhältnis zukünftige Pensionslasten reduziert, welche eine Kirche über ein halbes Jahrhundert eingeht, wenn sie Pfarrpersonen in das besondere Dienst- und Treueverhältnis übernimmt. „35 Jahre aktiver Dienst, 15 Jahre Ruhestand“, mit einer simplen Formel wurde der Personalfinanzierungbedarf von der Übernahme bis zum Ableben über den dicken Daumen von den Finanzern oft gerechnet.

Die Berufsgruppe Pfarrperson bestand nie nur als Volltheologen. Spätberufene, Menschen im Angestelltenverhältnis oder konvertierte Priester fungieren aber selten als relevante Planungsgrößen, wenngleich betont wurde, die Vertretenden dieser Gruppen seien in der Gemeinde praktisch und auf Karrierewegen faktisch dem großen Rest gleichwertig. Bezeichnenderweise war deren notwendige zusätzliche Ausbildung vor Dienstantritt dadurch gekennzeichnet, dass sie die ausstehende universitäre Qualifikation mühsam um Fehlendes ergänzte. Die altsprachliche Kompetenz fiel der verkürzten Nachbildung als Adiaphoron zum Opfer. Und dass ehemalige Priester ihre sakramental-kirchliche Sozialisation nicht vollständig abstreifen können, wurde wahrgenommen, geriet allerdings selten zum permanenten grundsätzlichen Ausschlussgrund für eine Übernahme.

Als ergänzendes Argument für eine Umstellung vom Beamten- auf das generelle Angestelltenverhältnis wird mit erkennbarem Doppelsinn angeführt, so würde das Risiko auch für die Berufsträger kalkulierbar. Ob dies Betroffene zusätzlich motiviert, die Sicherheit des beamtenähnlichen Dienstverhältnisses zu scheuen? Nur vereinzelt greifen – so meine Kenntnis der Lage – die Mitglieder der Generation Z dieses Argument auf, denen eine Lebenslänglichkeit im Pfarrberuf auch bei Kirche keinen automatischen Mehrwerkt, sondern eher einen Malus bedeutet. Aus Sicht der Steuerleute der Personalabteilungen ist dies einsichtig. Wenn es nach Examen oder alternativem Abschluss keine garantierte Pfarrstelle mehr gibt, wären Betroffene über das Angestelltenverhältnis kirchlich flexibler manövrierbar. Richtig daran ist, dass angestellten Pfarrpersonen sich letztlich vergleichbaren Chancen, Herausforderungen und Risiken aussetzen, wie sie die Menschen schon heute haben, die per Arbeitsvertrag bei den Firmen dieser Republik in Voll- oder Teilzeit angestellt sind.

Die oft thematisierten (und problematisierten) Kennzeichen des Handelns von wirtschaftlich agierenden Unternehmen im Blick auf Personalführung von Angestellten sind bekannt. Ihre Bewertung differiert je nach Betroffenheit. Skizzenhaft nenne ich – positiv erlebt – ein umfangreiches Onboarding, verpflichtende jährliche Zielvereinbarungen und im Blick auf das Jahresgehalt überprüfte Zielerreichungen, grundsätzlich verpflichtende Fortbildungen vor allem zum Thema Reputation und Risiko außerhalb der Arbeitszeit, sie sehr selbstverständlich kommunizierte Erwartung von erheblichen Überstunden, die Erwartung von erfolgreichen Leistungsnachweisen im Rahmen des jährlichen Fortbildungsbudgets, sowie ein Führungswesen mit grundsätzlich mehreren Vorgesetzten (personell, fachlich und kundenbezogen).

Wie zügig werden die Überlegungen zur Abkehr vom Beamten- hin zum Angestelltenstatus um sich greifen? Mit ihnen lässt sich die angebliche gemeindliche und universitäre Vorrangstellung der Theologie vor der Religionspädagogik leichter auszuhebeln als bisher. Und sie öffnen die Fenster in Richtung auf die Frage nach dem Hauptberuf der Pfarrerin und des Pfarrers. Mit welchem guten Grund soll weiterhin das Pfarramt der Brotberuf des Pfarrers und der Pfarrerin sein?

Unter der Überschrift „Seitenwechsel“ oder ähnlicher Beschreibungen gibt es seit Jahrzehnten Förderprogramme für avancierenden Nachwuchs. Praktika dienen allgemein ähnlichen Zwecken zur Orientierung vor dem und im Studium. Im Amt sind es Fortbildungsangebote, die eigeninteressengeleitet Kompetenzen erschließen. Nur wird – so gut solche Programme oft sind – kirchlich nicht wirklich ein wirksamer Schuh daraus, um Professionalitätsdefizite zu beheben. In aller Regel dienen entsprechende Aktivitäten dazu, anschließend umso gewisser – und ja: auch besser – auf dem vertrauten Trampelpfad der pfarrlichen Tätigkeiten fortzuschreiten.

Wäre es denkbar, evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern einen anderen Brotberuf anzudienen? Welches theologische Argument taugt, um die Verantwortung zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung auch in den nächsten Jahrzehnten an das Hauptamt zu ketten? Warum nicht ein interessantes Drittes neben Beamtentum und Angestelltenwesen aufrichten, das heute und in Zukunft größere Freiheitsgrade zunächst für die Pfarrpersonen, und dann für ihre Landeskirchen schafft? Das zudem im Blick auf die Kirche im notwendigen Wandel dem System mehr Luft schaffen könnte? In der aktuellen Diskussion um die theologische Ausbildung ist nach meiner Einschätzung zu wenig von einer solchen Zielperspektive die Rede, in der am Ende nicht ein Pfarramt im Haupt- oder Nebenamt oder in Teilzeit steht, sondern in der das Pfarramt den normalen Beruf ergänzt. Theologie studieren: zu welchem Beruf?

Nach 26 Jahren als Pfarrer in unterschiedlichen Verantwortungen habe ich einen Arbeitsvertrag als Manager bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen unterschrieben und bin dort seit 1. Oktober 2021 in Vollzeit tätig. Ich habe persönlich und in meiner Profession von der so anderen Tätigkeit profitiert und könnte mir diese Form der Tätigkeit auch als Handlungsrahmen für die Kolleginnen in den Gemeinden vorstellen. Ich denke zudem, dass sich aus der neben Beamtentum und Angestelltenverhältnis dritten Position viel für Kirche gewinnen ließe.

Grüße aus dem Vorgarten (Frederik Ohlenbusch, Theologiestudent, Berlin)

Über die Frage des Kerns der Theologie ist in den vier Beiträgen, für die ich mich grade wegen ihrer jeweils klaren Position und Ehrlichkeit herzlich bedanke, richtiges und anschlussfähiges geschrieben worden. Ich teile Eve-Marie Beckers Perspektive auf die fachinterne Vielfalt, die mich einmal zum Studium gebracht hat und bis heute fesselt. Durch eben diese Studienzeit ist auch meine Wertschätzung für das historische-gewachsene Gebäude Theologie gewachsen, dessen Charakter Thomas Kaufmann betont. Dieses Gebäude hat, da folge ich Lauster, glücklicherweise mannigfaltige Gestalt, so dass ich dem Vorwurf von „Insider-Logiken“ durch Joachim Kunstmann zumindest nicht in Fülle zustimmen kann.

Zu meiner Überzeugung gehört, dass der Erwerb möglichst aller drei klassischer Sprachen ein anzustrebendes Ziel darstellt. Allerdings fällt bei diesem Streben die Frage des wie all zu oft unter die Frage des ob. Zwar habe ich in meinen drei Sprachkursen persönlich positive Erfahrungen gemacht. Die gegenwärtige Aufstellung unser Studienordnungen macht es Studierenden aber grundsätzlich nicht leicht. Hier rate ich, ganz ohne Häme und den Groll eines Untertänigen, Entscheidungsträger*innen eine Hospitation in den Sprachkursen ihres Hauses oder auf dem Gebiet ihrer Kirche an.

Die Anforderungen einer Abiturergänzungsprüfung Hebraicum, Graecum und Latinum, spiegeln zwar ein hohes und aller Ehre werten Niveau wider, sind mit den unmittelbaren Anforderungen im weiteren Curriculum nur unzureichend verzahnt. Die jeweiligen Kompetenzen werden abgerufen und vertieft, keine Frage. Durch die Auslagerung des Sprachenerwerbs in den Vorgarten der Studienordnung (und effektiv auch in den des Hochschulbetriebs) gehen aber wesentliche Synergieeffekte verloren.

In der Eröffnung des Streitraums ist lediglich von Theologiestudium, nicht aber von der sogenannten Volltheologie die Rede. Dass Kaufmann und Kunstmann ihre Erfahrungen mit den Lehramtsstudiengängen einbringen, schlechte wie gute, um auf die gegenwärtig diskutierte Reform eben dieses Examensstudiengangs zu sprechen zu kommen, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nachvollziehbar. Wie sieht es aber darüber hinaus aus?

Haben wir genug dafür getan, die Evangelische Theologie auch als Neben- oder Zweitfach für interessierte Studierenden zu öffnen? Mir scheint, als würden weder die alleinige Fokussierung auf die Berufsbilder in Kirche und Schule und die auf sie gerichtete Vorbereitung noch das Festklammern am Volltheologiestudiengang als einzig eigentlichen Weg des Studiums dieser Möglichkeit die Tür offenhalten. Gegenwärtig stellt die Entscheidung, sich bei der Immatrikulation unmittelbar für den Studiengang Theologie Mag.Theol/KiEx zu entscheiden, eine nicht zu unterschätzende Hürde dar. Ich studiere diesen Studiengang gerne, habe mich trotz christlicher Sozialisation aber erst nach einigen Semestern final mit ihm abgefunden.

Der Ausfall von Lehrveranstaltung wegen zu geringer Teilnahme ist zum Regelfall geworden. Wir können, unabhängig von der gegenwärtigen Krise der Theologie, für alle dankbar sein, die sich als Student, Kontaktstudentin oder interessierte Gasthörer*in an theologischen Instituten und Fakultäten verirren. Allein aus schlichtem staatlichen Auftrag ist ihnen allen eine möglichst gutes, studierbares Angebot zu machen. Auch Christus hat keine „kulturelle Elite“ in seine Kreise berufen, solch eine Einschätzung verbietet sich aus vielen, hier nicht in Gänze anführbaren Gründen.

Darüber hinaus sollte zur Frage des „richtigen“ Studiums nicht die Zahl derjenigen vergessen werden, die sich mit einem Master of Arts derzeitig mit einer Promotion oder Habilitation qualifizieren oder gar Lehrstühle besetzen. Haben alle jene denn etwa nicht gescheit studiert? So ist auch der Magister Theologiae unserer römischen-katholischen Geschwister durch eine strengere Modularisierung einem BA/MA deutlich näher als der unsere. Absolvierenden dieses Studiengangs, der den Spracherwerb wesentlich besser in das eigentliche Studium integriert, sind doch auch ernstzunehmende theologische Gesprächspartner*innen, und zwar in allen der evangelischen wie katholischen Theologie gemeinsamen Teildisziplinen? Es wäre noch von anderen Kirchen zu sprechen, ich bleibe bei den Gliedkirchen der EKD.

Sprechen derzeit Vertreter*innen der Landeskirchen über ihre Erwartungen und Wünsche für die Zukunft der Theologie, bin ich über die fehlende Inspiration traurig. Ich erinnere mich – pars pro toto – an das Grußwort von Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin in der Pfalz, anlässlich des WGTh-Kongresses in Heidelberg diesen September, nach dem sich die Kirche „keine Schmalspurtheolog*innen“ noch „Fachidioten“ wünsche. Was über ein bestandenes erstes Examen oder vergleichbaren Studienabschluss eine Pfarrperson von morgen mitbringen soll, erfahre ich hier und andernorts eigentlich gar nicht. Möglicherweise sind Kirchenvertreter*innen in den entsprechenden Kommissionen in ihren Vorstellungen konkreter.

Wenn also, wie Jörg Lauster vorschlägt, regionale Vorstöße in Kooperation mit den Kirchen unsere Zukunft sind, dann bitte nur mit solchen, die etwas beizutragen haben. Ich möchte davon abraten, durch solche Alleingänge die Möglichkeiten, in der Kirche Dienst zu tun, noch mehr als ohne hin schon zu verkomplizieren und den bereits unübersichtlich unterschiedlichen Zugangsbedingungen zum Vikariat (BA, MA oder nur Examen? Priorität für Mitglieder einer Landesliste? …) weitere hinzuzufügen.

„Der heilige David empfiehlt zwar, sich Tag und Nacht dem Studium der heiligen Schriften zu widmen; es soll aber so passieren wie du gesagt hast und wir bewahren uns die Untersuchungen des Übriggebliebenen für morgen auf.“ (Theodoretus von Cyrus, Eranistes, 188,1–4)

Gegenwartstheologie (Claus-Dieter Osthövener, Professor für Systematische Theologie und Geschichte der Theologie, Marburg)

Während der Evangelische Fakultätentag noch diskutiert, ob er im zwanzigsten Jahrhundert ankommen will, ist Marburg schon auf dem Weg ins einundzwanzigste. Nachdem wir sehr gute Erfahrungen mit unserem neu konzipierten Nebenfach Evangelische Theologie für die an der Philipps-Universität durchweg neu strukturierten Bachelorstudiengänge gemacht haben, bringen wir derzeit einen B.A. Evangelische Theologie auf den Weg, der gewiß, wie schon unser bewährter berufsbegleitender Masterstudiengang, bundesweit begeisterte Nachahmung finden wird. Ein entsprechend zukunftsorientierter M.A. wird nicht lange auf sich warten lassen.

Was die Sprachen angeht (und alles hier ist natürlich meine ganz persönliche, wenngleich wohlerwogene, Auffassung), ist die Sache denkbar einfach: die mit großem Abstand wichtigste Sprache im Theologiestudium ist Englisch, da die Theologien der Gegenwart (Obacht: Präsentismus!) vorwiegend in dieser Sprache diskutiert werden (Spanisch und Französisch sind natürlich auch hilfreich). Die für ein theologisches Studium erforderlichen funktionalen Sprachkenntnisse in den drei alten Sprachen lassen sich ohne weiteres in einem Semester vermitteln. Sofern sie dann in den einschlägigen Fächern immer wieder einmal zum Einsatz kommen, dürfte allen vernünftigen Anforderungen Genüge getan sein. Diejenigen Studierenden, die sich intensiver mit den alten Sprachen befassen wollen (erfahrungsgemäß etwa 10%), werden gewiß vertiefende Angebote gerne wahrnehmen.

Der Kern des Theologiestudiums schließlich besteht ganz sicher nicht im Studium der Theologie. Schließlich bilden wir keine Privatdozent:innen aus (das ist eher eine Art Kollateralschaden), sondern Menschen, die draußen in der Welt (in Gemeinde, Schule und Öffentlichkeit) den in Liebe tätigen Glauben strukturiert und reflektiert vertreten. Dabei dürfte weniger die Kirchenleitung, wie Schleiermacher noch meinte, im Vordergrund stehen, als vielmehr die kreative Umgestaltung von Gemeinden und kirchlichen Strukturen, oder vielleicht sogar deren Neugründung. Dafür aber muß die Theologie durch und durch (horribile dictu!) praktisch sein, was natürlich nicht bedeutet, daß sie mit dem derzeitigen Fach Praktische Theologie identisch wäre. Selbst die historischen Disziplinen könnten hier hilfreiche Beiträge leisten, sofern sie denn hin und wieder von ihrem historistischen Schaukelpferd herunterkommen wollten.

Falls aber Gott, der bekanntlich selbst ein begabter Theologe ist (theologia archetypa), andere Pläne mit seiner theologia ektypa haben sollte (die er derzeit gewiß lieber in der Bronx studiert als in Wittenberg), dann wird er uns das sicherlich rechtzeitig wissen lassen (wenngleich vermutlich nicht durch die verbeamteten Kultprophet:innen des Fakultätentages). Bis dahin aber gilt: no risk, no fun!

Das Theologiestudium von seinen Inhalten her denken (Uta Pohl-Patalong, Professorin für Praktische Theologie und Religionspädagogik, Kiel)

Zur Ausrichtung des Theologiestudiums

Der Anlass, die seit über 100 Jahren diskutierte Reform des Theologiestudiums konkret werden zu lassen, ist fraglos die enorm zurückgegangene Zahl an Studienanfänger:innen. Die Gründe dafür liegen sicher nicht monokausal im Studium, aber dieses ist ein Faktor, der gestaltbar ist und auch inhaltlich Veränderungsbedarf zeigt. Darauf weist bereist die Disparatheit der vier Artikel hin: Wenn Verantwortliche für das Studium so unterschiedliche Vorstellungen und Ziele formulieren, spricht das nicht für ein „weiter so“. Ein wesentlicher Grund für diese Disparatheit und auch für die Problematik des Studiums insgesamt ist m. E. seine Organisation über die sechs Fachdisziplinen mit spezifischen Voraussetzungen, Methoden, Hermeneutiken und Zielen. Diese Konstruktion erschwert gleichzeitig die Reform, weil sie nahelegt, primär vom eigenen Fach aus zu denken und für dieses einen Niveauverlust zu befürchten. Menschen, die ein Theologiestudium mit einem nicht-wissenschaftlichen Berufsziel erwägen, folgen dieser Logik kaum, sondern sie sind an Inhalten interessiert, die sie als relevant erachten – im Blick auf ihre eigenen religiösen und lebensweltlichen Fragen, auf gesellschaftliche Herausforderungen oder für ihr angestrebtes Berufsziel. Deren Logik stärker zu berücksichtigen, entspricht nicht nur dem subjektorientierten Bildungsgedanken, sondern erscheint mittlerweile auch essenziell für die Zukunft des Faches. Mein Vorschlag ist daher, das Theologiestudium künftig primär nach Inhalten und nach an diesen Inhalten zu entwickelnden Kompetenzen zu strukturieren, die von den Fachdisziplinen teils gemeinsam und teils allein gestaltet werden, ohne sie jedoch zur dominante Organisationslogik zu machen – dies wäre dann auch der Kern des Faches.

Denkt man in dieser Weise von den Bildungsprozessen der Studierenden aus, ist eine Entscheidung über die Sprachenfrage im Vorhinein nicht sinnvoll zu entscheiden, sondern es ist zu fragen, wofür genau sie auf welchem Niveau benötigt werden und in welchem Verhältnis sich diese Kompetenzen zu den anderen für das jeweiligen Berufsziel benötigten verhalten.

Nicht nur aus Existenzgründen, sondern vor allem aus inhaltlichen Motiven sollten stärker als bisher Menschen mit unterschiedlichen Stärken und Interessen angesprochen werden. Dies würde das Spektrum der Pfarrpersonen und Religionslehrkräfte vergrößern und einen Zugang für Menschen, die im öffentlichen Raum oder in der Wirtschaft, ebenso aber auch in der Wissenschaft tätig werden möchten, erleichtern. Das Studium wäre damit dreigliedrig für Pfarramt, Lehramt und „Religion in der Gesellschaft“ nutzbar. Zwischen diesen beruflichen Perspektiven sollten die Übergänge fließend und niedrigschwellig sein. Dies spricht für individuelle Schwerpunktsetzungen und Zugänge zum Studium.

Folgt man diesen Überlegungen, liegt ein Modell für das Theologiestudium nahe, das auf Überlegungen der von der EKD organisierten Werkstatttagen zur Reform des Theologiestudiums zwischen kirchlichen und universitären Vertreter:innen 2023 in Nienburg beruht:

Ein Vorschlag für den Aufbau des Studiums

Das Studium enthält vier Typen von Modulen:

1. Pflichtmodule, die in Orientierung an einer Rahmenordnung der EKD alle Fakultäten anbieten. Diese könnte eine verbindliche interdisziplinär ausgerichtete Überblicksvorlesung beinhalten (gehalten von aus der Perspektive eines dafür naheliegenden Faches unter Einbeziehung der Expertise von Kolleg:innen anderer Fächer) sowie ein Seminar mit theoretischer Vertiefung und eine Übung mit Theorie-Praxis-Bezug (beides potenziell von allen Fächern angeboten). Für beides sollte es mindestens eine Alternative aus verschiedenen Fächern geben, um Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen.

Beispielhaft wären Inhalte denkbar wie „religiös-weltanschauliche Pluralität“, „Umgang mit der Bibel“[1] oder „Wirkungen historischer Entscheidungen auf die Gegenwart“.

2. Wahlmodule nach Entscheidung der Fakultäten, die damit eigene Schwerpunkte setzen und jederzeit neu justiert werden können. Diese sind ebenso aufgebaut wie die Pflichtmodule. Die zu belegende Anzahl würde im Lehramtsstudium aufgrund des zweiten Faches geringer sein als beim Ziel Pfarramt oder „Religion in der Gesellschaft“. Wünschenswert wäre, die universitäre Interdisziplinarität einzubeziehen und Perspektiven über die Theologie hinaus zu entwickeln.

Beispielhaft wären Inhalte denkbar wie „Dunkle Seiten von Christentum und Kirche“, „Erfolg und Scheitern“, „Christlicher Antijudaismus“, „Leiblichkeit“ oder „Gendersensibilität“.

3. Vertiefungsmodule mit einem größeren Umfang als die Pflicht- und die Wahlmodule, die disziplinär von einem Fach gestaltet werden. Diese enthalten die sprachlichen und methodischen Grundlagen für das jeweilige Fach inkl. der Sprachen.[2] Das Pfarramtsstudium und „Religion in der Gesellschaft“ könnten mindestens zwei Vertiefungsmodule beinhalten, das Lehramtsstudium eines.

4. Berufsbezogene Module, in denen sich die drei Studiengänge aufgliedern. Für das Lehramtsstudium wären dies Fachdidaktik, für das Pfarramtsstudium Perspektiven kirchlichen Handelns (Predigt, Seelsorge, pädagogisches Handeln in Kirche und Schule, kirchliche Sozialformen) und für die dritte Säule wären entsprechende Inhalte zu entwickeln. Um die beruflichen Perspektiven relevanzstärkend studienbegleitend zu gestalten, wäre eine Aufgliederung in kleinere Module sinnvoll, die am Anfang, in der Mitte und am Ende des Studiums angesiedelt sind.

Dieses Modell wäre sowohl in einem Bachelor-/Master-Modell als auch im klassischen Modell mit einem bündigen Abschlussexamen umsetzbar. Aufgrund der Erfahrungen, dass in Ersterem die intrinsische Motivation im Ersteren sinkt und die Orientierung an zu erwerbenden Leistungspunkten und Noten steigt, würde ich persönlich für die zweite Variante plädieren. Es schiene mir jedoch fatal, auf diese Frage die dringend für die inhaltlichen Reformen benötigten Energien zu verwenden.

[1] Darin wären auch hebräische und griechische Grundkenntnisse zu vermitteln, mit denen Studierende kompetent mit Übersetzungen im Vergleich arbeiten können.

[2] Im AT und NT Hebräisch bzw. Griechisch, exegetische Methoden und Bibelkunde, in der KG Latein und Umgang mit Quellen, in der ST hermeneutische und philosophische Grundlagen, in der PT empirische Methodologie und Einführung in die Religions- und Kirchensoziologie, in RI religionswissenschaftliche und religionskundliche Grundlagen.

Kommunikation des Evangeliums als Gegenstand der Theologie (Daniel Steigerwald, Pfarrer, München)

Was ist des Studiums Kern?

Der Gegenstand der Theologie lässt sich m.E. mit „Kommunikation des Evangeliums“ umschreiben. Hier kommt u.a. die Erkenntnis zum Ausdruck, wie eng Form und Inhalt miteinander verbunden sind. Was in den Medienwissenschaften längst keine Neuigkeit mehr ist, wird im Fächerkanon der Theologie bisher aber kaum berücksichtigt: Fast alle Anstrengungen fließen in die Suche nach dem „wahren“ Inhalt – die Form ist eine Randerscheinung der Praktischen Theologie, so als ob man jeden Inhalt einfach in jedes Medium pressen könnte. Was „Kommunikation“ sein soll, ist aber längst nicht klar und kann auch nicht einfach in ein Vikariat weitergeschoben werden: Die Form prägt den Inhalt, die Reflexion der Medienpraktiken muss Teil der akademischen Ausbildung sein. Nur wer sich im Klaren darüber ist, wie eine Rede funktioniert, wie ein Reel auf Instagram, ein YouTube-Short, ein Facebook-Beitrag, ein Gespräch am Gartenzaun usw. geprägt ist, kann kompetent mit Medien des Evangeliums umgehen.

Aber auch „Evangelium“ hat im derzeitigen theologischen Studium Schlagseite: In Anbetracht des nur zu verständlichen Rechtfertigungsdrucks im universitären Betrieb ist es nicht verwunderlich, dass ein großer Teil des Studiums ein historisches Vorzeichen trägt: Für historische Erkenntnisse gibt es legitime historische Methoden: Diese erzeugen das Gefühl, „wirklich wissenschaftlich“, also etsi Deus non daretur, zu arbeiten. Was eine Pfarrperson jedoch braucht, ist hermeneutische Kompetenz: Evangelium im jeweiligen Kontext neu durchzubuchstabieren, und zwar etsi Deus daretur. Das gegenwärtige Studium lädt dazu ein, den „Kinderglauben“ mit Beginn des Studiums an der Garderobe abzugeben und ihn mit Beginn des Vikariats wieder abzuholen: Man hat im Studium viel gelernt, das Denken geschärft und – mit Blick auf die gegenwärtigen Examensprüfungen – v.a. viel Wissen angehäuft. Um mit Menschen in Bezug auf „gute Nachricht“ im Austausch zu sein, reicht das aber nicht: Man kann dann bestenfalls kluge Vorträge halten oder eben alte Gewissheiten von früher hervorholen – beides wird der Herausforderung im kirchlichen Kontext nicht gerecht.

Ein:e Theolog:in in der heutigen Zeit sollte die Kompetenz haben, heutige Herausforderungen von Menschen in je unterschiedlichen Kontexten zu verstehen, spirituelle Suchbewegungen zu begleiten und Erfahrungen aus Schrift und Tradition in angemessener Form (Medienkompetenz) als Deutungsangebote zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollte sie dazu fähig sein, über ihren eigenen Glauben auf den Ebenen Logo, Ethos und Pathos sprachfähig zu sein, um so selbst potenziell Medium der Kommunikation des Evangeliums in personam zu sein.

Wie hältst Du’s mit BA/MA?

Gegenwärtig legt das Studium die Grundlagen für wissenschaftliche Karrieren in sechs oder mehr unterschiedenen Teildisziplinen der Theologie. Am Ende des Hauptstudiums stehen Studierende vor der Herausforderung, abfragbares Überblickswissen zu allen wichtigen Themengebieten der Unterdisziplinen zusammen zu sammeln. Alle müssen dasselbe wissen – egal ob man eine Promotion in Kirchengeschichte anstrebt, in der Systematischen Theologie oder ob man doch den Schritt ins Vikariat wagt. Hermeneutische Kompetenz hat dann, wer darauf aus freien Stücken bei der Seminarwahl Wert gelegt hat oder diese bei kontroversen Gesprächen am Mittagstisch in der Mensa eingeübt hat. Alle anderen können erklären, wie es zum Christentum in den heute vorliegenden Fassungen gekommen ist, aber nicht, was ein Mensch im 21. Jahrhundert damit bitte anfangen soll.

Vielleicht könnte die Umstellung auf ein BA/MA System auch eine Schärfung des Studiums im Hinblick auf seinen Kern zur Folge haben: Was spräche dagegen, den BA als Grundlagenstudium für alle Theologi:innen zu nutzen: Statt wie bisher in sechs Jahren hätten Studierende drei Jahre Zeit, um sich eines historischen Abstands zu Bibeltexten bewusst zu werden, einen Überblick über Kirchen-, Dogmen- und Philosophiegeschichte zu bekommen und die Erkenntnisse Praktischer Theolog:innen der Vergangenheit zu reflektieren.

In einem MA könnten Studierende dann wählen, ob sie lieber einen wissenschaftlichen Teilbereich vertiefen möchten oder ob sie in zwei Jahren Kommunikation des Evangeliums für die Gegenwart, also v.a. eine hermeneutische Kompetenz, fokussieren möchten.

Wie hältst Du’s mit den Sprachen?

Der Wert der Sprachen ist für mich vor dem Hintergrund verständlich, dass es in den Anfängen des Protestantismus einmal die Annahme gab, mit philologischen Fähigkeiten einen guten oder zumindest besseren Zugriff auf das Wort Gottes zu bekommen. Dass deshalb in evangelikalen Kreisen der Wert von Bibelauslegung so hoch hängt, ist ja verständlich. Im Rest der evangelischen Theologie haben sich aber doch die Unterscheidungen zwischen Bibel, Schrift und Wort Gottes durchgesetzt: Nur weil man einen Bibeltext versteht, versteht man noch nicht die Schrift oder gar das Wort Gottes. Ja noch mehr: Nur weil man den historischen Sinn eines Textes erschlossen hat, hat man noch nicht den Text verstanden. Das Erheben einer Wahrscheinlichkeit eines historischen Sinns ist damit nicht bedeutungslos. Aber es ist – so der allgemeine Konsens – doch nur ein (wichtiger) Puzzlestein in der Reflexion des Wortes Gottes. Daneben müssen reflektiert werden: die Art und Weise des Schriftgebrauchs, der Kontext, in dem die Schrift gebraucht wird, die dahinterstehende Intention, die Selbstoffenbarung des Wortes Gottes u.v.m. Das emotionalisierte Pochen auf den Wert der Sprachen ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Es muss nicht diskutiert werden, dass für eine Forschung mit historischen Methoden an den Bibeltexten die jeweiligen Sprachen der Ausgangspunkt sind (wie das ja auch für andere Wissenschaften gilt, die Forschung mit Quellentexten betreiben). Es ist aber auch nicht ersichtlich, wieso hermeneutische Kompetenz in Bezug auf die Kommunikation des Evangeliums ausgerechnet an der korrekten eigenen Übersetzung von Platon-Texten hängen sollte. Nicht zuletzt die Sprachanforderungen, die für einige der Quereinstiegs-Masterstudiengänge angesetzt werden, zeigen, dass das Niveau der Alten Sprachen nur sehr wenig über den kompetenten Umgang einer Pfarrperson mit dem Wort Gottes aussagt.

Den Wahrheitsbezug der christlichen Theologie neu entdecken (Maarten Wisse, Professor für Dogmatik, Utrecht)

Es ist gut, dass die Diskussion über die Zukunft der Theologie geführt wird. Als Niederländer, der sowohl mit einer Niederländischen als auch mit einer Deutschen Universität verbunden ist, erkenne ich viele der in den verschiedenen Beiträgen genannten Fragen und Argumente wieder. Meiner Meinung nach sollte es jedoch möglich sein, näher zueinander zu kommen als die vier Autoren, die zu diesem Heft beigetragen haben, dies tun. Es gibt etwas Gemeinsames in den vier Beiträgen, aber dies bleibt eher implizit und dies explizit zu machen, könnte uns helfen, die Diskussion weiterzubringen.

Was ich in den gegebenen Beschreibungen der Theologie vermisse, ist eine Verknüpfung christlicher Theologie mit der Wahrheit des christlichen Glaubens. Ein existenzielles Interesse an die Wahrheit des christlichen Glaubens besteht in der Tat bei den meisten Studierenden. Aber ein Ringen um die Wahrheit des christlichen Glaubens steckt auch historisch gesehen schon in der Struktur unserer Disziplin. Warum sind die biblischen und historischen Fächer so wichtig? Das liegt daran, dass wir in unserer Disziplin davon ausgehen, dass die Texte, die dort im Mittelpunkt stehen, die Wirklichkeit Gottes in Jesus Christus erschließen. Deswegen ist die Geschichte der christlichen Theologie eine Streitgeschichte. Auch wenn die endgültige Wahrheit des Glaubens uns immer auch entzogen bleibt, ist der Wahrheitsbezug des Glaubens konstitutiv für unsere Disziplin, nicht nur eine ethische, eine spirituelle, sondern auch eine historische Wahrheit.

In der gegenwärtigen Theologie scheinen wir aber dieses direkte Bemühen um die Wahrheit des Glaubens zu umgehen, auch wenn unsere Disziplin ihre Daseinsberechtigung darin hat. Vielleicht wussten frühere Generationen diesen Widerspruch noch zu verinnerlichen, für die heutigen Studierenden ist er nicht überzeugend und für manche gar nicht erst fassbar. Wir können das Desinteresse, das bei manchen Studierenden im Hinblick auf den historisch-kritischen Umgang mit den biblischen und späteren theologischen Texten entsteht, bequem als Fundamentalismus beiseiteschieben, aber damit übersehen wir die Anomalie in unserem eigenen Umgang mit den historischen Quellen der Theologie.

Aber auch die Argumente von Kunstmann und Lauster hinken, wenn es darum geht, die Sache zu adressieren, um die es in der Theologie geht. Noch einmal das Christentum als kulturelles und philosophisches Phänomen zu begreifen oder an die religiösen Interessen von heute anzupassen, dafür werden viele gläubigen Studierenden von heute nicht mehr an die Universität kommen.

Was die Sprachen betrifft, so ist die Vorstellung, dass Sprachkenntnisse automatisch zur Theologie führen, nachweislich falsch. Es gibt viele Beispiele von Menschen, die sehr gute Übersetzer sind, aber damit keine guten Hermeneuten oder Denker werden. Umgekehrt gilt dasselbe: Gute Denker sind nicht unbedingt gute Übersetzer. Das ist genau der Grund, warum wir in der Theologie weder den Philologen, Exegeten, Historiker, Systematiker noch Praktischen Theologen entbehren können! Ich möchte ein anderes Argument für den Erhalt der Sprachen geben.

Ich denke, dass die Sprachen für Schüler nicht unbedingt ein Argument sind, das Theologiestudium beiseitezulegen. Für liberal-christliche Studierende macht es das Studium gerade als Sprach- und Kulturstudium interessant, während für konservative Studierende der Zugang zur Wahrheit der Schrift gerade durch die Sprachkenntnisse vergrößert wird (gerade sie teilen diese Voraussetzung der Reformation auch heute noch). In den Niederlanden, wo es seit vielen Jahren Varianten des Theologiestudiums ohne die alten Sprachen gibt, hat sich ebenfalls längst gezeigt, dass die meisten Studierenden diese Wege im Bachelorstudium nicht wählen (weniger als 20 Prozent). Meiner Ansicht nach liegt das daran, dass der Verzicht auf die alten Sprachen eine Entmythologisierung des Theologiestudiums zur Folge hat, die nicht zur Attraktivität des Studiums für jüngere Generationen beiträgt.

In den Niederlanden haben wir seit der Einführung der Bologna-Struktur eine BA/MA-Struktur. Diese Umstellung hat in den Niederlanden nicht zu einem revolutionär anderen Studienaufbau geführt. Die BA/MA-Struktur, wie sie auf dem europäischen Kontinent eingeführt wurde, ist so flexibel, dass ich das große Maß an Widerstand dagegen in Deutschland nicht gut verstehe. Obwohl die klassische Struktur des Theologiestudiums in Deutschland allerdings ihre starken Seiten hat, ist innerhalb der BA/MA-Struktur so viel Variation möglich, dass die Nachteile weitgehend durch einen kreativen Umgang mit der Struktur abgemildert werden können. Man kann ein BA/MA-Studium weitgehend flexibilisieren, sodass es der freien Struktur ähnelt, wie sie in Deutschland im Pfarramtsstudium gehandhabt wird.

Auch in den Niederlanden wird viel über den Kern der Theologie und notwendige Reformen des Curriculums diskutiert, um die Theologie an die Fragen von heute anzupassen. Mir ist dabei aufgefallen, wie wenig wir in solchen Diskussionen von Entwicklungen in anderen Ländern profitieren. Wir versuchen doch immer wieder, das Rad selbst neu zu erfinden. Das ist sehr bedauerlich und nicht notwendig. Denn letztlich stehen alle nicht-fundamentalistischen theologischen Institutionen weltweit vor derselben Herausforderung: die Dynamik wiederzuentdecken, die der theologischen Disziplin ihren Zusammenhalt verleiht und die zu dem Kontext passt, in dem sich die Theologie heute befindet, nämlich in einem post-postmodernen Kontext, in dem Jugendliche wieder nach Sinn, aber vor allem auch nach Sicherheit und Klarheit fragen, was wir als Kinder der (post-)modernen Zeit auch davon halten mögen.